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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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als er zu Mutter sagte, sie müsse Vater verzeihen.
    »Möglicherweise werden wir es verkaufen müssen, bevor wir dort einziehen«, sagte Vater, »aber wir werden vielleicht nicht ausziehen müssen. Das sind nur Details.«
    Diese (und andere) Details sollten uns jahrelang beschäftigen, und als die Fäden an Frannys Lippe längst gezogen waren und die Narbe so fein war, daß man glaubte, man könne sie mit dem Finger wegwischen - oder ein guter Kuß könne das besorgen - sagte Franny dazu: »Hätte Vater einen zweiten Bären kaufen können, hätte er es nicht nötig gehabt, sich ein Hotel zu kaufen.« Aber mein Vater hatte zwei Illusionen: einmal glaubte er, Bären könnten ein Leben überstehen, wie es von Menschen geführt wird, und zum andern bildete er sich ein, Menschen könnten ein Leben überstehen, wie es in Hotels geführt wird.

3.
Iowa-Bobs erfolgreiche Saison
    1954 kam Frank in die erste Klasse der Dairy School - für ihn offenbar ein nichtssagender Übergang, nur daß er jetzt noch mehr Zeit allein auf seinem Zimmer verbrachte. Es gab einen vagen homosexuellen Zwischenfall, aber eine ganze Reihe von Jungen, alle aus demselben Wohnheim - und alle älter als Frank - waren darin verwickelt, und man nahm an, daß Frank das Opfer eines der üblichen Pennälerscherze geworden war. Schließlich wohnte er Zuhause; da überraschte es nicht, daß er auf das, was sich in einem Wohnheim abspielte, ziemlich naiv reagierte.
    1955 ging Franny auf die Dairy School; es war das erste Jahr, in dem sie dort Mädchen nahmen, und der Obergang war nicht so reibungslos. Übergänge verliefen nie völlig reibungslos, wenn Franny etwas damit zu tun hatte, aber in diesem Fall gab es viele unvorhergesehene Probleme, von der Diskriminierung in den Klassenzimmern bis zu dem Mangel an Duschen in dem Flügel der Turnhalle, der für die Mädchen abgeteilt worden war. Außerdem gingen dadurch, daß es plötzlich auch Frauen im Lehrkörper gab, mehrere wacklige Ehen in die Brüche, und die Wachträume der männlichen Dairy-Schüler wurden sicherlich tausendfach bereichert.
    1956 war dann ich an der Reihe. Das war das Jahr, in dem sie einen kompletten Sturm und drei Abwehrspieler für Coach Bob kauften; die Schule wußte, daß er in den Ruhestand ging, und er hatte kurz nach dem Krieg seine letzte erfolgreiche Saison gehabt. Sie dachten, sie würden ihm einen Gefallen tun, wenn sie seine Footballmannschaft mit fertigen Spielern aufstockten, die von den stärksten Bostoner High Schools kamen und noch ein Jahr dranhängen wollten. Endlich einmal hatte Coach Bob nicht nur eine Stürmerreihe, sondern auch ein paar Bullen, die vorne blocken konnten, und obwohl dem alten Mann die Vorstellung von einem »gekauften« Team von »Legionären«, wie wir das damals nannten, mißfiel, wußte er doch die Geste zu schätzen. Der Dairy School ging es jedoch nicht nur darum, Iowa-Bob in seinem letzten Jahr eine erfolgreiche Saison zu bescheren. Sie warfen all ihre Netze aus, um mehr Geld von den Ehemaligen und einen neuen und jüngeren Football-Coach für das nächste Jahr zu bekommen. Bob wußte: noch eine schlechte Saison, und die Dairy School würde Football für immer von ihrem Programm streichen. Coach Bob wäre lieber mit einem von ihm selbst über mehrere Jahre hinweg aufgebauten Team als Sieger abgetreten, aber auch für ihn war es am wichtigsten, überhaupt irgendwie als Sieger abzutreten.
    »Außerdem«, sagte Coach Bob, »brauchen auch talentierte Spieler einen Coach. Ohne mich wären diese Burschen halb so gut. Jeder braucht taktische Anweisungen; man muß jedem sagen, was er falsch macht.«
    Damals hatte Iowa-Bob meinem Vater eine ganze Menge über Taktik und Fehler zu erzählen. Coach Bob sagte, die Renovierung des Thompson Female Seminary sei ein ähnliches Unternehmen »wie der Versuch, ein Rhinozeros zu vergewaltigen«. Es dauerte etwas länger, als mein Vater erwartet hatte.
    Er hatte keine Mühe, Mutters Elternhaus zu verkaufen - es war ein Prachtstück, und wir bekamen einen stolzen Preis dafür -, aber die neuen Eigentümer waren sehr darauf erpicht, das Haus in Besitz zu nehmen, und wir zahlten ihnen eine saftige Miete, um noch ein volles Jahr nach Unterzeichnung aller Papiere in dem Haus bleiben zu können.
    Ich erinnere mich noch, wie die alten Schreibpulte aus dem künftigen Hotel New Hampshire entfernt wurden - Hunderte von Pulten, die am Boden festgeschraubt waren. Hunderte von Löchern im Boden waren auszufüllen, oder alles

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