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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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doch«, sagte mir Franny. »Es wird nicht nochmal passieren, unmöglich. Und wenn - und wenn du tatsächlich stark genug wärst, mich zu retten -, glaubst du denn, daß du einfach da sein würdest? Wenn es nochmal passiert, werde ich irgendwo weit weg von dir sein - und dann hoffe ich sowieso, daß du nie davon erfährst. Das versprech ich dir.«
    Aber Franny sah den Zweck meines Krafttrainings zu einseitig. Ich wollte Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit - oder wenigstens die Illusion, sie zu haben. Ich wollte mich nie wieder so hilflos fühlen wie an Halloween.
    Da und dort lag immer noch ein zermanschter Kürbis herum, als Exeter zum letzten Spiel von Iowa-Bobs erfolgreicher Saison in Dairy antrat - einer lag im Rinnstein an der Ecke Pine Street und Elliot Park, ein anderer war von den Zuschauerrängen aus geschmissen worden und auf der Aschenbahn um das Footballfeld zerplatzt. Halloween lag immer noch in der Luft, auch wenn Chipper Dove, Lenny Metz und Chester Pulaski nicht mehr da waren.
    Die Ersatzspieler im Rückraum schienen irgendwie verhext zu sein: sie bewegten sich durchweg in Zeitlupe. Sie liefen in die von Junior Jones geschaffenen Lücken -wenn die sich wieder geschlossen hatten; ihre Pässe warfen sie hoch in den Himmel, so daß sie erst nach einer Ewigkeit wieder runterkamen. In Erwartung eines solchen Passes wurde Harold Swallow so heftig gerammt, daß er bewußtlos liegenblieb, und Iowa-Bob ließ ihn für den Rest des langen Tages nicht mehr aufs Spielfeld.
    »Da hat jemand deine Glocke geläutet, Harold«, sagte Coach Bob zu dem Sprinter.
    »Ich hab keine Glocke«, beschwerte sich Harold Swallow. »Wer hat geläutet?« fragte er. »Was für ein Jemand?«
    Zur Halbzeit führte Exeter 24:0. Junior Jones, der sowohl im Angriff als auch in der Abwehr spielte, war an einem Dutzend Karambolagen beteiligt gewesen; drei Ballverluste gingen auf sein Konto, und zweimal erkämpfte er sich den Ball sofort wieder; doch Dairys Ersatzspieler im Rückraum hatten sich dreimal den Ball abjagen lassen, und zwei dieser hohen Pässe waren abgefangen worden. In der zweiten Spielhälfte setzte Coach Bob Junior Jones als Ballschlepper im Rückraum ein, und der schaffte tatsächlich drei first downs nacheinander, bevor die Abwehr Exeters sich umgestellt hatte. Zur Umstellung genügte die Erkenntnis, daß Junior Jones mit Sicherheit den Ball bekam, solange er im Rückraum spielte. Iowa-Bob stellte Junior daraufhin wieder in die Abwehrkette, wo er ohnehin lieber spielte, und Dairys einzige Punkte, gegen Ende des letzten Viertels, wurden mit vollem Recht Jones gutgeschrieben. Er brach in Exeters Rückraum ein, nahm einem Exeter-Stürmer den Ball ab und trug ihn - und zwei, drei Exeter-Spieler, die an ihm hingen - in die Endzone. Der anschließende Torschuß um den Zusatzpunkt ging links am Pfosten vorbei, und am Ende hatte dann Exeter mit 45:6 gegen Dairy gewonnen.
    Franny verpaßte Juniors Touchdown: sie war nur seinetwegen zum Spiel gegangen, und wenn sie beim Exeter-Spiel noch einmal als Cheerleader mitwirkte, dann nur, um sich für Junior Jones die Lunge aus dem Hals zu schreien. Aber Franny bekam mit einem der anderen Cheerleader Streit, und Mutter mußte sie nach Hause bringen. Dieses andere Mädchen war Chipper Doves Unterschlupf, Mindy Mitchell.
    »Schwanztrieze«, hatte Mindy Mitchell meine Schwester genannt.
    »Dumme Fotze«, sagte Franny und schlug mit dem Cheerleader-Megaphon nach Mindy. Es war aus Pappe, und es sah aus wie eine große scheißbraune Eistüte, auf die ein leichengraues D für Dairy aufgemalt war, oder auch für den Tod, wie Franny meinte: »D für death«, sagte sie immer.
    »Voll in die Titten«, erzählte mir eines der anderen Mädchen. »Franny knallte Mindy Mitchell das Megaphon voll in die Titten.«
    Natürlich erzählte ich Junior Jones nach dem Spiel, warum Franny nicht da war, um mit ihm zur Turnhalle zurückzugehen.
    »Ein wirklich gutes Mädchen!« sagte Junior. »Du sagst ihr das, okay?«
    Und natürlich sagte ich es ihr. Franny hatte schon wieder gebadet und hatte sich richtig herausgeputzt, um Ronda Ray beim Bedienen zu helfen; sie war ziemlich gut aufgelegt. Trotz des Debakels, mit dem Iowa-Bobs erfolgreiche Saison zu Ende gegangen war, schienen fast alle gutgelaunt. Es war Eröffnungsabend im Hotel New Hampshire!
    Mrs. Urick hatte sich im Bemühen um Schlichtes-aber-Gutes selbst übertroffen; sogar Max trug ein weißes Hemd mit Krawatte, und Vater strahlte geradezu hinter der Bar - und

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