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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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im Auge, aber Bob war groß in Form - er drehte sich um und zwinkerte dem in der Tür stehenden Frank zu und verbeugte sich vor Mutter und den Uricks, und Ronda Ray ging wieder durch den Raum und strich dem alten Coach frech über die Wange, und der Texaner betrachtete Ronda, als habe er die Stühle längst vergessen - festgeschraubt oder nicht festgeschraubt. Wen stört es schon, daß sich die Stühle nicht bewegen lassen? dachte er bei sich - denn bewegungsmäßig war bei Ronda Ray noch mehr los als bei Harold Swallow, und der Eröffnungsabend brachte sie und alle anderen immer mehr in Schwung.
    »Ja-huu«, flüsterte mir Franny ins Ohr, aber ich saß an der Bar und sah zu, wie Vater die Drinks mixte. Noch nie hatte ich ihn so konzentriert und energiegeladen gesehen, und das lauter werdende Stimmengewirr ergriff mich - und ließ mich nicht mehr los: so wie ich mich erinnere, waren Restaurant und Bar in diesem Hotel New Hampshire immer erfüllt von lauten Stimmen, selbst wenn nicht viele Leute da waren. Wie der Texaner sagte: man mußte eben ein wenig lauter sprechen, wenn man so weit auseinander saß.
    Und selbst als das Hotel New Hampshire schon längere Zeit bestand, so daß aus der Stadt viele Stammgäste zu uns kamen - Leute, die jeden Abend in der Bar saßen, wenn in der letzten halben Stunde noch der alte Iowa-Bob auf einen Schlummertrunk herunterkam -, selbst an diesen vertrauten Abenden in dem vertrauten kleinen Kreis konnte Bob immer noch seinen Lieblingsscherz anbringen. »He, rück mal ein bißchen näher mit deinem Stuhl«, sagte er zu irgendeinem der Gäste, und einer fiel immer drauf rein. Für einen Augenblick vergaßen die Leute, wo sie waren, zerrten kurz, grunzten kurz, machten kurz ein verdutztes Gesicht, und dann lachte Iowa-Bob und rief: »Nichts bewegt sich im Hotel New Hampshire! Wir sind hier festgeschraubt -  lebenslänglich!«
    Nachdem an diesem Eröffnungsabend Bar und Restaurant geschlossen worden waren und alle sich auf ihre Zimmer zurückgezogen hatten, trafen Franny, Frank und ich uns am Schaltkasten und führten mit den einmaligen Quatschkisten in allen Zimmern eine Bettenkontrolle durch. Wir konnten hören, wer ruhig schlief und wer schnarchte; wir konnten feststellen, wer noch auf war (und las), und wir machten die überraschende (und enttäuschende) Entdeckung, daß kein Paar miteinander redete oder sich gerade liebte.
    Iowa-Bob schlief wie eine U-Bahn, die rumpelnd ihre unterirdische Strecke abfährt. Mrs. Urick hielt über Nacht einen Suppentopf am Köcheln, und Max sendete sein übliches Rauschen. Das Ehepaar aus New Jersey las noch, oder jedenfalls einer der beiden: das langsame Umblättern der Seiten, die kurzen Atemzüge des Nichtschläfers. Das Ehepaar aus Connecticut schnaufte und wieherte und keuchte im Schlaf; ihr Zimmer klang wie ein Kesselraum. Massachusetts, Rhode Island, Pennsylvania, New York und Maine gaben geräuschvoll Aufschluß über ihre verschiedenen Schlafgewohnheiten.
    Dann schalteten wir den Texaner ein. »Ja-huu«, sagte ich zu Franny.
    »Juch-he«, flüsterte sie zurück.
    Gleich, dachten wir, würden wir hören, wie seine Cowboystiefel auf den Boden knallten; gleich würden wir hören, wie er aus seinem Hut trank oder schlief wie ein Pferd - seine langen Beine unter der Decke im leichten Galopp, das Bett im Würgegriff seiner großen Hände. Aber wir hörten nichts.
    »Er ist tot!« sagte Frank, und Franny und ich zuckten zusammen.
    »Jessas, Frank«, sagte Franny. »Vielleicht ist er nur mal eben aus dem Zimmer gegangen.«
    »Es war bestimmt ein Herzschlag«, sagte Frank. »Er ist zu dick, und er hat zuviel getrunken.«
    Wir horchten. Nichts. Kein Pferd. Keine knarrenden Stiefel. Kein Atemzug.
    Franny schaltete das Zimmer des Texaners von Empfang auf Sendung. »Ja-huu?« flüsterte sie.
    Und dann kapierten wir - schlagartig ging uns allen (selbst Frank) ein Licht auf. Nicht mehr als eine Sekunde brauchte Franny, um auf Ronda Rays »Tagesraum« umzuschalten.
    »Wolltest du nicht wissen, was ein Tagesraum ist, Frank?« fragte sie.
    Und dann kamen die unvergeßlichen Laute.
    Es ist schon so, wie Iowa-Bob sagte: Wir sind alle auf einer großen Kreuzfahrt um die Welt, und wir laufen Gefahr, fortgespült zu werden, jederzeit.
    Frank und Franny und ich umklammerten unsere Stühle.
    »Uuuuuuuuuuh!« keuchte Ronda Ray.
    »Huh, huh, huh!« rief der Texaner.
    Und später sagte er: »Ich bin Ihnen mächtig dankbar.«
    »Ach Unsinn«, sagte Ronda.
    »Doch, ganz

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