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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ehrlich«, sagte er. Wir hörten ihn pinkeln - wie ein Pferd, es ging ewig. »Sie wissen ja nicht, wie schwierig es für mich ist, in diese winzig kleine Toilette im dritten Stock zu treffen«, sagte er. »Sie ist so weit unten«, sagte der Texaner. »Da muß ich gut zielen, bevor ich abdrücke.«
    »Ha!« rief Ronda Ray.
    »Ja-huu!« sagte der Texaner.
    »Wi-der-lich«, sagte Frank und ging schlafen, doch Franny und ich blieben auf, bis die einzigen Geräusche in der Quatschkiste die Geräusche des Schlafes waren.
    Am nächsten Morgen regnete es, und ich gab mir Mühe, bei meinen Treppenläufen jedesmal die Luft anzuhalten, wenn ich am ersten Stock vorbeikam - denn ich wußte ja, was Ronda von meinem »Schnaufen« hielt und wollte sie nicht aufscheuchen.
    Blau im Gesicht lief ich an dem Texaner vorbei, der auf dem Weg von zwei nach drei war.
    »Ja-huu!« sagte ich.
    »Morgen! Morgen!« rief er. »Willst in Form bleiben, was?« sagte er. »Gut für dich! Dein Körper muß schließlich dein ganzes Leben lang vorhalten.«
    »Stimmt«, sagte ich und lief noch eine Weile rauf und runter.
    Etwa beim dreißigsten Mal begann ich, den Schwarzen Arm des Gesetzes vor mir zu sehen, und Frannys abgerissenen Fingernagel - wie soviel Schmerz sich in dieser blutenden Fingerspitze zu konzentrieren schien und sie vielleicht von ihrem übrigen Körper ablenkte -, da stellte sich mir auf dem Treppenabsatz im ersten Stock Ronda Ray in den Weg.
    »Brr, mein Pferdchen«, sagte sie, und ich blieb stehen. Sie hatte eins ihrer Nachthemden an, und wenn die Sonne geschienen hätte, wäre das Licht glatt durch den Stoff gedrungen und hätte sie für mich beleuchtet - aber das Licht war trübe an diesem Morgen, und das dunkle Treppenhaus enthüllte mir sehr wenig von ihr. Nur ihre Art, sich zu bewegen, und ihren packenden Geruch.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Ja-huu!«
    »Selber Ja-huu, John-O«, sagte sie. Ich lächelte und lief auf der Stelle.
    »Du schnaufst wieder«, sagte mir Ronda.
    »Ich habe versucht, die Luft für dich anzuhalten«, keuchte ich, »aber dann wurde ich zu müde.«
    »Ich hör sogar dein Herz bumsen«, sagte sie.
    »Das tut mir gut«, sagte ich.
    »Mir aber nicht«, sagte Ronda. Sie legte mir ihre Hand auf die Brust, als wolle sie meinen Herzschlag studieren. Ich lief nicht weiter auf der Stelle; ich mußte spucken.
    »John-O«, sagte Ronda Ray, »wenn es dir Spaß macht, so heftig zu schnaufen und dein Herz zum Rasen zu bringen, dann solltest du das nächste Mal, wenn es regnet, mich besuchen.«
    Und ich lief noch etwa vierzigmal die Treppen rauf und runter. Es wird wahrscheinlich nie wieder regnen, dachte ich. Ich war so erschöpft, daß ich beim Frühstück nichts essen konnte.
    »Nur eine Banane«, sagte Iowa-Bob, aber ich konnte nicht hinsehen. »Und ein, zwei Orangen«, sagte Beb. Ich bat, mich zu entschuldigen, und verließ den Tisch.
    Egg war im Badezimmer, und er ließ Franny nicht rein.
    »Warum baden Franny und Egg nicht zusammen?« fragte Vater. Egg war sechs, und in einem Jahr würde es ihm wahrscheinlich peinlich sein, mit Franny zusammen zu baden. Zur Zeit badete er sehr gerne, weil er jede Menge Spielzeug für die Badewanne hatte; wenn man das Badezimmer benutzte, nachdem Egg dringewesen war, sah die Badewanne aus wie ein Kinderstrand - verlassen nach einem Luftangriff. Nilpferde, Schiffe, Froschmänner, Gummivögel, Eidechsen, Alligatoren, ein Aufzieh-Hai mit einem Schnapp-Maul, einen Aufzieh-Seehund mit beweglichen Flossen, eine gräßliche gelbe Schildkröte - jede nur vorstellbare Nachahmung amphibischen Lebens, triefend und tropfend am Wannenboden und - unter den Fußsohlen knirschend - auf der Badematte.
    »Egg!« brüllte ich dann. »Räum sofort deine Scheiße auf!«
    » Welche Scheiße?« schrie Egg.
    »Also wirklich, eure Ausdrücke«, sagte Mutter - nicht zum erstenmal.
    Frank hatte es sich angewöhnt, morgens an die Mülltonnen beim Lieferanteneingang zu pinkeln; er behauptete, er könne nie ins Badezimmer, wenn er wolle. Ich ging die Treppe rauf und benutzte das Bad in IowaBobs Zimmer, und natürlich benutzte ich auch die dort liegenden Gewichte.
    »Von so einem Krach muß man sich wecken lassen!« schimpfte der alte Bob. »So habe ich mir den Ruhestand bestimmt nicht vorgestellt, als Zuhörer beim Pinkeln und Gewichtheben. Ein sauberer Wecker ist das!«
    »Du stehst doch sowieso gern früh auf«, sagte ich zu ihm.
    »Mich stört nicht, wann ich geweckt werde«, sagte der alte Coach,

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