Das Hotel New Hampshire
ist?« fragte ich Franny unvermittelt. »Ich meine, welche Schwester bringt Junior mit?« Aus der Art, wie Franny mich ansah, schloß ich, daß auch diese Frage Jahre zwischen uns legte.
»Er hat nur eine Schwester«, sagte Franny und blickte mir direkt in die Augen. »Macht es dir etwas aus, daß sie vergewaltigt worden ist?«
Natürlich wußte ich nicht, was ich sagen sollte: daß es mir etwas ausmachte? Daß man mit einer Vergewaltigten nicht über das Thema Vergewaltigung sprach, während man mit Nicht-Vergewaltigten sofort eine Diskussion darüber begann? Daß man nach den bleibenden Narben in der Persönlichkeit suchte, oder daß man nicht danach suchte? Daß man bleibende Narben in der Persönlichkeit annahm und mit der Person wie mit einem Invaliden sprach? (Und wie sprach man mit einem Invaliden?) Daß es mir nichts ausmachte? Aber es machte mir etwas aus. Ich wußte auch, warum. Ich war vierzehn. In meiner Unerfahrenheit (und in bezug auf Vergewaltigung würde ich immer unerfahren bleiben) stellte ich mir vor, daß man eine Vergewaltigte ein wenig anders anfassen würde, oder etwas weniger, oder überhaupt nicht. Schließlich sagte ich das Franny, und sie starrte mich an.
»Du irrst dich«, sagte sie, aber es klang, wie wenn sie zu Frank sagte: »Du bist ein Arschloch«, und dazu hatte ich das Gefühl, daß ich wahrscheinlich ewig vierzehn bleiben würde.
»Wo ist Egg?« brüllte Vater. »Egg!«
»Egg arbeitet nie etwas«, beschwerte sich Frank, der die trockenen Nadeln von dem Weihnachtsbaum ziellos durch das Restaurant kehrte.
»Egg ist ein kleiner Junge, Frank«, sagte Franny.
»Egg könnte schon ein wenig reifer sein«, sagte Vater. Und ich (dessen Einfluß die Reifung beschleunigen sollte) ... ich wußte ganz genau, warum Egg außer Hörweite war. Er war in irgendeinem leeren Raum des Hotels New Hampshire und betrachtete die fürchterliche Masse eines nassen schwarzen Labradorhundes namens Kummer.
Als die letzten Spuren von Weihnachten aus dem Hotel New Hampshire gekehrt und gezerrt waren, überlegten wir uns eine passende Dekoration für Silvester.
»Keiner ist so richtig in Silvesterstimmung«, sagte Franny. »Lassen wir doch die Dekoration ganz weg.«
»Eine Party ist eine Party«, sagte Vater entschlossen, obwohl er vermutlich von uns allen am wenigsten Lust zu einer Party hatte. Jeder wußte, wessen Idee die Silvesterparty gewesen war: sie stammte von Iowa-Bob.
»Es wird sowieso niemand kommen«, sagte Frank.
»Für dich vielleicht, Frank«, sagte Franny. »Ich erwarte jedenfalls ein paar Freunde.«
»Und wenn hundert Leute kämen, würdest du trotzdem in deinem Zimmer bleiben, Frank«, sagte ich.
»Geh, iß noch eine Banane«, sagte Frank. »Oder mach einen Dauerlauf - zum Mond.«
»Also ich freu mich auf die Party«, sagte Lilly, und jeder blickte sie an - weil wir sie natürlich nicht gesehen hatten, ehe sie den Mund aufmachte; sie wurde immer kleiner. Lilly war fast elf, aber sie schien nun wesentlich kleiner als Egg; sie reichte mir kaum bis zur Hüfte, und sie wog keine zwanzig Kilo.
Wir rissen uns also alle zusammen: wenn Lilly sich auf eine Party freute, dann wollten wir versuchen, in Stimmung zu kommen.
»Wie sollen wir also das Restaurant dekorieren, Lilly?« fragte Frank; er hatte die Angewohnheit, sich weit vorzubeugen, wenn er mit Lilly sprach, so als rede er mit einem Baby in einem Kinderwagen und gebe nur unsinniges Zeug von sich.
»Wir brauchen überhaupt nicht zu dekorieren«, sagte Lilly. »Wir amüsieren uns einfach so.«
Wir standen alle reglos da, als treffe uns diese Aussicht wie ein Todesurteil, doch Mutter sagte: »Das ist eine großartige Idee! Ich rufe gleich die Matsons an!«
»Die Matsons?« sagte Vater.
»Und die Foxes, und vielleicht die Calders«, sagte Mutter.
»Bloß nicht die Matsons!« sagte Vater. »Und die Calders haben bereits uns zu einer Party eingeladen - die machen jedes Jahr eine Silvesterparty.«
»Nun, wir werden einfach ein paar Freunde hier haben«, sagte Mutter.
»Und die Stammgäste werden sicher auch kommen«, sagte Vater, aber er sah nicht sehr überzeugt aus, und wir blickten von ihm weg. Die »Stammgäste« waren nur ein Grüppchen alter Kumpane; größtenteils waren sie Coach Bobs Zechgenossen. Wir fragten uns, ob sie überhaupt noch einmal kommen würden - und an Silvester bezweifelten wir das.
Mrs. Urick wußte nicht, wie viele Essen sie vorbereiten sollte; Max überlegte, ob er den ganzen Parkplatz vom Schnee räumen
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