Das Hungerjahr - Roman
allein. Nimm das Mädchen als Haushaltshilfe zu dir. Sie ist tüchtig. Sie kann natürlich nicht die feinen Speisen der besseren Herrschaften, aber sie lernt es bestimmt.«
Matsson schwieg eine Weile und starrte auf seine Schuhe. Er blies eine dünne Rauchspur auf seine Knie und schien zu zögern.
»Und sie ist auch noch nicht ausgeleiert«, sagte er schließlich mit blödsinnigem Grinsen.
»Vom Gehen auf der Straße passiert das auch nicht«, gab Teo zurück in dem Versuch, großspurig zu klingen, jedoch mit wenig Erfolg.
Matsson sah Teo an wie der Meister seinen halbwüchsigen Gesellen, der versucht zu reden wie die Männer.
»Und das Kind? Ist das von dir?«, fragte Teo.
»Von mir, von dir … vom Polen, woher will man das wissen? Ihres ist es jedenfalls. Bei der Geburt sind sie alle gleich, Kinder derselben Welt. Eine andere Frage ist es, ob es in einem Loch oder in einem Schloss geboren wird. Das liegt immer am Herrn. Nicht unbedingt am Herrn im Himmel. Manchmal kann auch ein Doktor Einfluss nehmen.«
Matssons Blick bohrte ein Loch in Teo, durch das der Südwestwind blies. Teo verstand, dass Matsson ihn für den Vater des Kindes hielt und empörte sich innerlich, denn Matsson hatte ihn selbst zu Saara ins Bett geführt und war darum voll verantwortlich, doch konnte Teo sich selbst nicht recht überzeugen. Als nächstes überlegte er, warum es Matsson so weit hatte kommen lassen. Warum hatte er ihn nicht schon im Winter geholt, wenn noch etwas zu machen gewesen wäre? Matsson blickte durch das Loch, das er in Teo gebohrt hatte, in dessen Gedanken.
»Ich hätte sie ja zur Engelmacherin gebracht, aber sie hat es geahnt und wollte nicht mitkommen. Hat sich schwer gewehrt.«
Teo dachte an den Skandal, den es zur Folge hätte, wenn er sich ein schwangeres Dienstmädchen ins Haus holte. Dabei war es damals geblieben.
Jetzt trägt Teo Saaras wenige Sachen in dem kleinen Koffer, den er mitgebracht hat. Saara geht hinter ihm her und macht keine unnötigen Worte, was Teo gefällt. Aber er spürt ihren Blick im Nacken, der wärmt und vorgibt, bloß die Frühjahrssonne zu sein. Auf dem Markt kommt es Teo vor, als drehten sich sämtliche Köpfe mit Zylinder nach ihnen um.
Teo zeigt Saara die wenigen Zimmer seiner Wohnung und verspricht, ihr gleich am nächsten Morgen eine Chaiselongue zu kaufen, aber diese Nacht müsse sie in seinem Bett schlafen. Er beeilt sich hinzuzufügen, er selbst werde im Sessel schlafen.
»Da tut dir nur unnötig der Rücken weh«, erwidert Saara.
Sie setzte sich aufs Bett und öffnet den Koffer, schaut hinein und schließt ihn sogleich wieder, ohne etwas herauszunehmen.
Teo blickt auf die Straße hinaus, dann auf sein Spiegelbild im Fenster, auf den Wagen des Kohlenhändlers, der durch das Spiegelbild hindurchfährt, auf die Frau, die stehen bleibt und zum Himmel schaut.
Seit seiner Rückkehr von Johan Bergs Begräbnis hat er Cecilia nicht getroffen. Im März hörte er, sie sei weggegangen. Die Hausdame sagte, sie sei einem reichen Geschäftsmann nach Sankt Petersburg gefolgt. Aber das sah Cecilia nicht ähnlich, fand Teo. Was für einen Grund hätte es noch für einen Aufbruch geben können? Teo fällt einer ein, ein wesentlich düsterer.
Er hat beschlossen, sich nicht um das Gerede zu kümmern, die das Erscheinen des schwangeren Dienstmädchens in seinem Haushalt verursacht. Er hat in dieser Stadt ohnehin keine Zukunft. Mehr tut es ihm für Lars leid, dem das Gerede eher wehtut.
Teo setzt sich an den Schreibtisch, schlägt sein Tagebuch auf und schreibt: »Wenn das alles vorbei ist, wenn die Verhältnisse sich beruhigt haben und die Straßen nicht mehr voller Bettlerhorden sind, werde ich nach Vyborg reisen und mich dort niederlassen. Und wenn Adlerbergs Eisenbahn irgendwann fertig wird, steige ich in den Zug und fahre nach Sankt Petersburg, um Cecilia zu suchen.
Was dann passiert, weiß ich nicht. Was würde ich zu ihr sagen? Gäbe es denn noch etwas zu tun, falls sich meine schlimmsten Ahnungen als richtig erweisen? Vielleicht könnte ich versuchen, sie zu behandeln. Ihr Leid zu lindern, damit sie kein so schmerzhaftes Ende hat.«
Saara sitzt noch immer auf dem Bettrand und streicht sich über den Bauch. Sie wird Mutter, denkt Teo, und da kommt ihm die Frau in den Sinn, die im Schnee starb, und der Junge, den er gerettet hat. Inzwischen hat Juho bereits gelernt, Raakel Mamma zu nennen, aber er sagt nie Mutter. Das Wort ist weg, weit weg, in seinem Inneren verschollen. Manchmal
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