Das Imperium der Woelfe
Unregelmäßigkeiten im Verfahren gegeben.«
»Von welcher Abteilung kommen Sie?«
Der Polizist ging aufs Ganze. »Interne Untersuchung, allgemeine Dienstaufsicht.«
»Ich sage Ihnen gleich, ich werde kein Wort über Beauvanier sagen. Dienstgeheimnis. Schon mal gehört?«
Der Medizinmann täuschte sich über das wahre Motiv der Ermittlung. Ohne jeden Zweifel hatte er dem selbst ernannten >Cool Man< geholfen, eins seiner Drogenprobleme aus der Welt zu schaffen. Schiffer sagte in herrischem Ton: »Ich beschäftige mich nicht mit Christophe Beauvanier. Es interessiert mich einen Dreck, ob Sie ihm eine Methadonbehandlung verordnet haben oder nicht.«
Der Arzt hob eine Braue - Schiffer hatte richtig gezielt - und wurde freundlicher: »Was wollen Sie wissen?«
»Die türkische Arbeiterin. Ich interessiere mich für die Polizisten, die sie abgeholt haben, hinterher.«
Der Psychiater schlug die Beine übereinander und strich seine Bügelfalte glatt: »Sie kamen ungefähr vier Stunden nach ihrer Einlieferung. Sie hatten einen Übergabeschein und die Anweisung, sie abzuschieben. Alles war in bester Ordnung. Beinahe zu sehr, würde ich sagen.«
»Zu sehr?«
»Die Formulare trugen Stempel, waren unterschrieben. Sie kamen direkt aus dem Innenministerium. Und das alles um zehn Uhr morgens. Es war das erste Mal, dass ich so viel Papierkram für eine einfache Illegale sah.«
»Erzählen Sie mir von ihr.«
Hirsch blickte auf seine Schuhspitzen und ordnete seine Gedanken: »Als sie ankam, dachte ich an Unterkühlung. Sie zitterte. Sie war außer Atem. Bei der Untersuchung stellte ich fest, dass ihre Temperatur normal war. Auch ihr Atemsystem war nicht beschädigt. Ihre Symptome waren hysterisch.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Er lächelte überlegen: »Sie zeigte körperliche Symptome, aber ohne Grund. Alles kam von da.« Er wies mit dem Zeigefinger auf die Schläfe. »Vom Kopf. Diese Frau hatte einen seelischen Schock erlitten. Ihr Körper reagierte darauf.«
»Was für ein Schock war das Ihrer Meinung nach?«
»Heftige Angst. Sie hatte die charakteristischen Anzeichen einer Panikattacke. Die Blutuntersuchung hat dies bestätigt. Wir haben Spuren einer starken Hormonausschüttung gefunden. Und auch eine große Menge Cortisol, ein typisches Merkmal. Aber das ist für Sie etwas zu technisch ... «
Sein Lächeln wurde überheblich, und der Kerl begann Schiffer mit seiner Arroganz zu nerven. Er schien dies zu spüren und sagte in natürlicherem Ton: »Diese Frau war starkem Stress ausgesetzt. Ich würde hier sogar von einem Trauma sprechen. Sie erinnerte mich an Fälle von Frontsoldaten. Unerklärliche Lähmungen, plötzliche Atemnot, Stottern, diese Art... «
»Kenne ich. Beschreiben Sie sie mir. Ich meine, wie sah sie aus?«
»Schwarzes Haar, sehr blass. Sehr mager, an der Grenze zur Anorexie. Kleopatrafrisur. Harter Gesichtsausdruck, der aber seltsamerweise ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. Im Gegenteil, in dieser Hinsicht war sie ziemlich... beeindruckend.«
Schiffer konnte sich das Mädchen mittlerweile gut vorstellen. Instinktiv spürte er, dass dieses Geschöpf keine einfache Arbeiterin war. Auch keine normale Zeugin.
»Haben Sie sie behandelt?«
»Zunächst habe ich ihr ein angstlösendes Mittel gespritzt. Ihre Muskeln haben sich daraufhin entspannt. Dann begann sie albern zu lachen, vor sich hin zu plappern. Einen Schwall irren Geredes. Ihre Worte ergaben keinerlei Sinn.«
»War es Türkisch?«
»Nein. Sie sprach Französisch. So wie wir.«
Eine völlig verrückte Idee kam ihm in den Sinn, aber er wies sie von sich, um einen kühlen Kopf zu bewahren. »Hat sie Ihnen gesagt, was sie gesehen hatte? Was in dem türkischen Bad passiert war?«
»Nein, sie gab nur Sprachfetzen von sich, Wörter, die kaum einen Zusammenhang ergaben.«
»Zum Beispiel?«
»Sie sagte, die Wölfe hätten sich geirrt. Ja, das war's... Sie sprach von Wölfen. Sie sagte immer wieder, sie hätten das falsche Mädchen entführt. Unverständliches Zeug.«
Ihm kam eine Erleuchtung, der erlösende Gedanke. Wie hatte die Arbeiterin erraten können, dass die Eindringlinge Graue Wölfe waren? Woher wusste sie, dass sie sich in der Wahl ihres Opfers geirrt hatten? Es gab nur eine Antwort: Sie selbst war die eigentliche Beute.
Sema Gokalp war die Frau, die umgebracht werden sollte.
Schiffer fügte die Stücke mühelos zusammen. Die Mörder hatten einen Hinweis erhalten: Ihr Opfer arbeitete nachts im türkischen Bad von Talat
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