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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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zerbrochenen Vasen speisten...
    Plötzlich tauchte vor ihr aus dem Nebel eine Gestalt auf, eine graue Form: der Mörder.
    Sie öffnete die Lippen, doch bevor sie einen Laut ausstoßen konnte, legte sich eine Hand fest über ihren Mund. Mathilde las in den blutunterlaufenen Augen, die sie betrachteten, die Worte: Wenn du schreist, bist du tot. Der Lauf eines Revolvers drang gegen ihre Kehle, mit einem Ausdruck der Wut zwinkerten ihre Augen zum Zeichen der Zustimmung. Langsam nahm der Mann die Hand fort. Sie flehte ihn mit einem Blick an, signalisierte, dass sie sich ergab.
    In dieser Sekunde hatte sie ein abscheuliches Gefühl, etwas war geschehen, das sie mehr noch zu Boden warf als die Angst zu sterben. Sie hatte sich in die Hose gemacht. Ihre Schließmuskeln hatten nachgegeben, Urin und Exkremente liefen ihre Beine herunter und durchnässten die Strumpfhose.
    Der Mann packte sie an den Haaren und zerrte sie über den Boden. Mathilde biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien, während sie Nebelschwaden durchquerten, die zwischen Vasen, Blumen und der Asche von Menschen aufstiegen.
    Sie schlugen mehrere Haken in den Galerien. Mathilde, an der der Mann immer noch brutal zerrte, glitt durch den Staub. Sie machte kleine geräuschlose Schritte und öffnete den Mund, ohne dass ein Laut herausdrang. Sie schluchzte, stöhnte, pustete, doch der Staub verschluckte alles. Durch ihren Schmerz hindurch begriff sie, dass diese Stille ihr bester Verbündeter war. Beim geringsten Laut würde der Mann sie umbringen.
    Das Tempo verlangsamte sich, und sie spürte, wie der Druck nachließ. Dann packte der Mann sie erneut und zog sie mehrere Stufen hoch. Mathilde krümmte sich, eine Welle des Schmerzes drang vom Kopf bis zum Ende ihrer Wirbelsäule. Sie hatte das Gefühl, dass mörderische Zangen ihr die Haut vom Gesicht rissen. Ihre Beine bewegten sich immer noch, schwer, feucht, voller Scham. Sie fühlte den schändlichen Schmutz, der ihre Schenkel befleckte.
    Noch einmal blieb alles still stehen.
    Es dauerte nur eine Sekunde, doch es genügte. Mathilde drehte sich um die eigene Achse, um zu beobachten, was geschah. Annas Schatten tauchte aus dem Nebel auf, während der Mörder seinen Revolver wortlos auf sie richtete.
    Mit einem Ruck stemmte sie sich auf die Knie, um Anna zu warnen. Zu spät, denn er drückte schon auf den Abzug, und ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte.
    Dann passierte etwas Unvorhersehbares: Annas Gestalt zersprang in tausend Splitter. Die Asche verwandelte sich in einen Glashagel. Der Mann brüllte, und Mathilde konnte sich befreien, sie wich zurück und glitt die Stufen nach unten.
    Im Fallen begriff sie, was geschehen war. Der Mann hatte nicht auf Anna geschossen, sondern auf eine staubbedeckte Glastür, auf der sich sein eigenes Spiegelbild abzeichnete. Mathilde blieb auf dem Rücken liegen und entdeckte das Unglaubliche: Während ihr Hinterkopf auf dem Boden lag, sah sie die richtige Anna, grau und anorganisch, die sich an den Luken der zerbrochenen Gehäuse festhielt. Dort, über den Toten schwebend, erwartete sie den anderen.
    In diesem Moment sprang Anna. Mit der linken Hand hielt sie sich an einem Urnenfach fest und gab ihrem Körper einen kräftigen Schwung. In der anderen Hand hielt sie eine zerbrochene, spitz zulaufende Glasvase. Der spitze Rand bohrte sich in das Gesicht des Mannes.
    Bis er seinen Revolver zückte, hatte Anna ihr Werkzeug wieder zurückgezogen. Der Schuss verhallte im Staub. In der nächsten Sekunde griff sie erneut an, die Scherbe drang in seine Schläfe und knirschte in seinem Fleisch. Eine weitere Kugel verlor sich in der Luft. Anna stand dicht an die Wand gepresst.
    Unablässig attackierte sie Stirn, Schläfen, Mund; das Gesicht des Mörders ging in Fetzen, das Blut spritzte. Er schwankte, verlor seine Waffe, schlug ungeschickt mit den Armen um sich, als würde er von Killerbienen verfolgt.
    Schließlich versetzte Anna ihm den Gnadenstoß. Sie warf sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn, sie rollten am Boden, und der Glasrumpf drang in seine rechte Wange. Anna hielt den Druck aufrecht, sie riss die Haut auf, legte das Zahnfleisch bloß.
    Mathilde kroch auf dem Rücken vorwärts, zog sich mit den Ellbogen über den Boden. Sie schrie, ohne den Blick von dem wilden Kampf abwenden zu können.
    Schließlich ließ Anna die Glasscherbe los und stand auf. Der Mann, der mit den Armen wie wild in der Asche herumfuchtelte, versuchte, das in seine Augenhöhle gedrungene Glas

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