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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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herauszuziehen. Anna hob den Revolver auf und wischte die Hände des Sterbenden von seinem Gesicht. Sie ergriff den Hals des Gefäßes und riss - mit einer kräftigen Drehung - das blutüberströmte Auge aus der Augenhöhle. Mathilde wollte wegsehen, aber es gelang ihr nicht. Anna hielt ihre Pistole in das riesige Loch und drückte ab.

Kapitel 56
     
    Dann trat wieder Stille ein, der beißende Aschegeruch schwelte zwischen ausgeleerten Urnen und verzierten Deckeln. Hier und da lagen bunte Plastikblumen verstreut.
    Der Tote fiel neben Mathilde, die von Blut, Hirnmasse und Knochensplittern überzogen war, zu Boden. Einer seiner Arme berührte ihr Bein, doch sie hatte nicht genügend Kraft, es wegzuschieben. Ihr Herzschlag war schwach und unregelmäßig, die Pause zwischen jedem Schlag wirkte derart gestreckt, dass sie jeden Atemzug für ihren letzten hielt.
    »Wir müssen weg, die Wächter werden gleich hier auftauchen.«
    Mathilde blickte auf.
    Was sie sah, zerriss ihr das Herz. Annas Gesicht war wie aus Stein. Der Staub der Toten hatte sich über ihre Züge gelegt, ihr Gesicht bestand nun aus rissigen Furchen und tiefen Falten. Ihre Augen hingegen leuchteten grellrot.
    Mathilde denkt an das Auge, in dem noch immer die Glasscherbe steckt, und ihr wird speiübel.
    Anna hält eine Sporttasche in der Hand, die sie aus dem Gehäuse hervorgeholt hat. »Die Drogen sind futsch«, sagt sie. »Keine Zeit, deswegen zu weinen.«
    »Wer bist du bloß, mein Gott, wer bist du?«
    Anna stellt die Tasche ab und sagt: »Glaub mir, der hätte uns nichts geschenkt.«
    Sie ergreift Dollar- und Eurobündel, zählt sie schnell und steckt sie wieder ein.
    »Er war mein Kontakt in Paris«, fährt sie fort. »Der Mann, der die Drogen in Europa verteilen sollte und sich um die Vertriebsnetze kümmerte.«
    Mathilde blickt auf den Toten herab, sie sieht eine bräunliche Grimasse, aus der ein starres Auge zur Decke blickt. Sie will ihm einen Namen geben, eine Art Grabinschrift.
    »Wie hieß er?«
    »Jean-Louis Schiffer. Er war Bulle.«
    »Dein Kontaktmann war ein Bulle?«
    Anna antwortet nicht. Sie nimmt einen Pass aus der Tasche und blättert ihn durch. Mathilde kommt wieder auf die Leiche zu sprechen: »Wart ihr Partner?«
    »Er hat mich nie gesehen, aber ich kannte sein Gesicht. Wir hatten ein Erkennungszeichen. Eine Brosche in Form einer Mohnblüte. Und auch eine Art Passwort: die vier Monde.«
    »Was bedeutet das?«
    »Vergiss es.«
    Mit einem Knie am Boden setzt Anna ihre Suche fort, sie findet mehrere Maschinenpistolen-Magazine. Mathilde betrachtet Anna ungläubig, ihr Gesicht sieht aus wie eine Maske aus getrocknetem Lehm. Sie gleicht einer zu Ton erstarrten kultischen Figur. Anna hat nichts Menschliches mehr an sich.
    »Was machst du jetzt?«, fragt Mathilde.
    Die Frau steht auf und zieht eine Schusswaffe aus ihrem Gürtel, vermutlich eine Automatik, die sie in dem Behälter gefunden hat. Sie bewegt den Hebel am Lauf, entfernt das leere Magazin. Ihre sicheren Bewegungen verraten Übung.
    »Ich will weg. In Paris habe ich keine Zukunft.«
    »Wohin?«
    Sie schiebt neue Munition ins Magazin.
    »Türkei.«
    »In die Türkei? Aber warum? Wenn du dahin gehst, finden sie dich doch.«
    »Sie werden mich überall finden, egal wohin ich gehe. Ich muss die Quelle austrocknen.«
    »Die Quelle?«
    »Die Quelle des Hasses. Den Ausgangspunkt der Rache. Ich muss nach Istanbul zurück. Dort rechnen sie nicht mit mir.«
    »Wer sind sie?«
    »Die Grauen Wölfe. Früher oder später entdecken sie mein neues Gesicht.«
    »Na und? Es gibt doch tausend Orte, an denen du dich verstecken kannst.«
    »Nein. Wenn sie mein neues Gesicht kennen, wissen sie, wo sie mich erwischen können. «
    »Warum?«
    »Weil ihr Chef es schon gesehen hat, in einem ganz anderen Zusammenhang. «
    »Ich begreife nicht.«
    »Ich sage dir noch mal: Vergiss das alles! Sie werden mich ein Leben lang verfolgen. Für sie ist das kein normaler Vertrag. Sie machen daraus eine Frage der Ehre. Ich habe sie verraten. Ich habe meinen Schwur gebrochen.«
    »Welchen Schwur? Wovon redest du?«
    Sie sichert die Waffe und hängt sie sich über den Rücken.
    »Ich bin eine von ihnen. Ich bin eine Wölfin.«
    Mathilde spürt, wie ihr der Atem stockt, wie die Funktionen ihres Körpers erstarren. Anna kniet sich hin und packt sie an den Schultern. Ihr Gesicht ist ohne Farbe, doch wenn sie spricht, sieht man zwischen den Lippen ihre rosafarbene, fast fluoreszierende Zunge. Ein Mund aus rohem

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