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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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mit den Zähnen fest und überlegte fieberhaft, was sie nun tun sollte.
    Die Verfolger entfernten sich langsam, sie suchten und sahen sich überall um und überprüften jede Parzelle des Parkplatzes. Kein Zweifel, sie würden wieder kommen und sie mit Sicherheit finden. Anna blickte sich um, ein paar Meter entfernt befand sich eine kleine graue Tür. Wenn sie sich richtig erinnerte, führte dieser Ausgang zu einem Gebäude, das ebenfalls an der Rue Daru lag.
    Ohne weiter zu überlegen, schob sie sich vorsichtig zwischen Wand und Stoßstangen hindurch, erreichte die Tür und öffnete sie so weit, dass sie gerade hindurchpasste. Ein paar Sekunden später erreichte sie eine moderne, hell erleuchtete Eingangshalle: Kein Mensch weit und breit. Sie flog die Stufen hinauf und sprang nach draußen.
    Sie rannte über die Straße, der Regen perlte wohltuend über ihre Haut, als plötzlich Bremsen quietschten und sie zum Stehen brachten. Ein Auto war ein paar Zentimeter vor ihr zum Halten gekommen und berührte ihren Kimono.
    Sie sprang zurück, entsetzt und tief erschrocken. Der Fahrer ließ die Scheibe herunter und rief: »He, Mädchen, du musst gucken, bevor du über die Straße läufst!«
    Anna achtete nicht auf ihn und warf, auf der Suche nach neuen Polizisten, einen raschen Blick nach rechts und links. Ihr war, als sei die Luft voller Elektrizität, voller Spannung - wie vor einem drohenden Gewitter. Dabei war sie selbst dieses Gewitter.
    Der Fahrer fuhr langsam an ihr vorbei: »Du musst zum Arzt, meine Kleine.«
    »Hau ab!«
    Der Mann bremste.
    »Was?«
    Anna bedrohte ihn mit ihrem von Blut roten Zeigefinger: »Mach, dass du wegkommst, hab ich gesagt!«
    Der Mann zögerte, seine Lippen zitterten. Er schien zu ahnen, dass etwas nicht stimmte und dass es sich nicht nur um einen Verkehrsstreit handelte. Er zuckte die Achseln und gab Gas.
    Anna hatte eine neue Idee, sie rannte so schnell sie konnte auf die orthodoxe Kirche zu, ein paar Hausnummern weiter oben. Sie lief am Gitter entlang, überquerte den mit Kies bestreuten Hof und stieg die Stufen zum Eingangsportal hinauf. Sie stieß eine alte lackierte Holztür auf und verschwand im Dunkeln.
    Die Kirche schien in tiefer Finsternis zu liegen, doch es war nur das Klopfen in ihren Schläfen, das ihren Blick verdüsterte. Nach und nach erkannte sie goldenes Braun, rötliche Ikonen, kupferne Stuhllehnen, die aussahen wie erschöpfte Flammenspitzen.
    Vorsichtig wagte sie sich durch die matte Helligkeit, die Gegenstände im Raum erhielten nur wenig Licht, wie tröpfchenweise destilliert von den bunten Fenstern, den Kerzen, den schmiedeeisernen Leuchtern. Selbst die Figuren auf den Fresken schienen sich aus der Dunkelheit befreien zu wollen, um ein wenig Licht zu erhaschen. Der ganze Raum war in silbriges Licht getaucht; ein glänzendes Helldunkel, ein vorsichtiger Kampf zwischen Helligkeit und dunkler Nacht.
    Anna konnte wieder langsamer atmen. Es brannte in ihrer Brust. Ihre Haut und ihre Kleider trieften vor Schweiß. Sie blieb stehen, lehnte sich gegen eine Säule und genoss die Kühle des Steins. Bald wurden ihre Herzschläge ruhiger. Jedes Detail hier schien etwas Beruhigendes zu haben: die flackernden Kerzen auf den Leuchtern, die Gesichter der Christusdarstellungen, lang und geformt wie Brote aus Wachs, braunrote Lampen, die von der Decke hingen wie Mondfrüchte.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Sie sah sich um und entdeckte den leibhaftigen Boris Godunow. Ein riesengroßer Pope in einem schwarzen Gewand mit langem weißem Bart vor der Brust. Unwillkürlich fragte sie sich, aus welchem Bild er wohl herausgetreten sei. Er wiederholte mit seiner Baritonstimme: »Geht es Ihnen gut?«
    Sie warfeinen Blick auf die Tür und fragte: »Haben Sie eine Krypta?«
    »Wie bitte?«
    »Eine Krypta, einen Raum für Beerdigungsfeiern.«
    Der Kirchenmann schien den Sinn ihrer Frage zu begreifen. Er setzte eine mitleidige Miene auf und schob seine Hände in die Armel: »Wen müssen Sie beerdigen, mein Kind?«
    »Mich selbst.«

Kapitel 22
     
    Als sie die Ambulanz des Krankenhauses Saint-Antoine betrat, wurde ihr klar, dass neue Herausforderungen auf sie warteten. Sie musste mit Gewalt gegen Krankheit und Demenz ankämpfen.
    Die fluoreszierende Beleuchtung des Wartezimmers spiegelte sich an den weißen Kachelwänden und ließ dem Licht von außen keine Chance. Es hätte ebenso gut acht Uhr morgens wie elf Uhr abends sein können. Die Wärme verstärkte das Gefühl des Eingesperrtseins, eine

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