Das Imperium der Woelfe
eben jene Händler, bei denen die Einkünfte aus den Läden nur fünf Prozent ihrer eigentlichen Unternehmungen darstellten.
»Diesen Idioten darf man niemals trauen«, zischte er zwischen den Zähnen hervor. »Keiner von denen ist ehrlich. Ihr Kopf ist wie ihr Essen. Voll mit klein geschnittenem Zeug. Mit Unmengen Glutamat, das das Gehirn einschläfert.«
Später waren sie zum Boulevard de Strasbourg zurückgegangen, auf dem sich Friseure aus der Karibik und Afrika, Kosmetikgroßhändler und Scherzartikelverkäufer den Bürgersteig streitig machten. Gruppen von Schwarzen schützten sich unter den Markisen ihrer Läden vor dem Regen und boten ein perfektes Kaleidoskop der Ethnien, die den Boulevard bevölkerten: Baulis und Mbochis, Betis von der Elfenbeinküste, Laris aus dem Kongo, Bakongos und Balubas aus dem früheren Zaire, Bamilekis und Ewondos aus Kamerun...
Paul zeigte sich irritiert von diesen Afrikanern, die immer da saßen und so gut wie nichts taten. Er wusste, dass die meisten von ihnen Schmuggler oder Gauner waren, und doch konnte er nicht umhin, für sie eine gewisse Zuneigung zu empfinden. Ihre geistige Leichtigkeit, ihr Humor und das tropische Leben, das sie selbst auf dem Asphalt verkörperten, entzückten ihn. Vor allem die Frauen faszinierten ihn. Ihre leuchtenden schwarzen Augen schien eine geheimnisvolle Komplizenschaft mit ihrem glänzenden Haar zu verbinden, das sie gerade bei Afro 2000 oder Royal Coiffure hatten glätten lassen. Feen aus verbranntem Holz, Masken aus Satin mit großen dunklen Augen...
Schiffer hatte ihm eine realistischere, detailliertere Beschreibung aufgetischt: »Die Kameruner sind Meister im Fälschen von Fahrscheinen, Eintritts- und Kreditkarten. Die Leute aus dem Kongo machen in Textilien: geklaute Klamotten, falsche Marken etc. Die von der Elfenbeinküste sind Spezialisten für angebliche karitative Einrichtungen. Sie schaffen es immer, dir was für Hungernde in Äthiopien oder Waisenkinder in Angola abzuknöpfen. Schönes Beispiel für Solidarität. Am gefährlichsten aber sind die aus Zaire. Sie herrschen über das Drogenreich und haben das ganze Viertel im Griff. Und die Schwarzen sind die Schlimmsten von allen«, schloss er. »Sie sind nichts als Parasiten und haben nur ein Ziel: uns das Blut auszusaugen.«
Paul ging auf diese rassistischen Ideen nicht ein, denn er hatte beschlossen, alles zu ignorieren, was nicht direkt mit seinem Fall zu tun hatte. Ihm kam es nur auf Ergebnisse an, sonstige Überlegungen hielt er außen vor, und an einigen Stellen zeigten sich bereits erste Fortschritte. Er hatte zwei Kommissare vom SARIJ, Naubrel und Matkowska, engagiert, um der Frage mit den Hochdruckkammern nachzugehen. Die beiden Beamten hatten drei Krankenhäuser abgeklappert und nur negative Antworten erhalten. Inzwischen forschten sie bei Tiefbau-Unternehmen nach, die an verschiedenen unterirdischen Baustellen in Paris mit der Überdrucktechnik arbeiteten, damit das Grundwasser nicht ihre Baustellen überflutete. Abends benutzten die Bauarbeiter stets eine Niederdruckkammer.
Dunkelheit, unterirdisches Gelände... Paul glaubte auf der richtigen Spur zu sein, und er rechnete noch heute mit dem Bericht der beiden Kriminalbeamten.
Er hatte auch einen jungen Mitarbeiter der BAC, der Brigade gegen Kriminalität beauftragt, ihm weitere Touristenführer und archäologische Museumskataloge über die Türkei zu beschaffen. Der Polizist hatte ihm die erste Lieferung nach Hause in die Rue du Chemin-Vert im 11. Arrondissement gebracht. Ein ganzer Stapel, den durchzusehen er noch keine Zeit gefunden hatte, der ihn aber bald in schlaflosen Nächten beschäftigen würde.
Am zweiten Tag waren sie in den eigentlichen türkischen Bezirk eingedrungen. Im Süden wurde er vom Boulevard Bonne-Nouvelle und dem Boulevard Saint-Denis begrenzt, im Westen von der Rue du Faubourg-Poissonnière und im Osten von der Rue du Faubourg-Saint-Martin. Im Norden endete der Bezirk an einer Spitze, die von der Rue La Fayette und dem Boulevard Magenta gebildet wurde. Das Rückgrat des Viertels war der Boulevard de Strasbourg, der senkrecht zur Gare de l'Est hinaufführte und sich auf den Seiten nervös verzweigte: Rue des Petites-Ecuries, Rue du Château-d'Eau... Doch das Herz dieses Gebiets schlug eindeutig in der Métrostation Strasbourg-Saint-Denis, die dieses Bruchstück des Orients am Leben hielt.
Aus architektonischer Sicht hatte das Viertel nichts Besonderes zu bieten, überall graue alte Gebäude,
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