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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Augen den Betrachter an.
    »Schiffer«, sagte sie mit rauer Stimme, »ich weiß, warum du hier bist.«
    »Endlich mal ein kluger Kopf! «
    Sie legte zerstreut einige Papiere auf ihrem Schreibtisch zusammen: »Ich wusste, dass sie die Bilder am Ende rausrücken würden.«
    Sie sprach fast ohne Akzent, nur ein leichtes Schlingern, das sie zu kultivieren schien, beschloss jeden ihrer Sätze.
    Schiffer stellte sie beide einander vor, und vorübergehend gab er seinen harschen Tonfall auf. Paul spürte, dass er mit der Frau auf gleicher Augenhöhe stand.
    »Was weißt du?«, fragte er sie unvermittelt.
    »Nichts, rein gar nichts.«
    Sie beugte sich einige weitere Sekunden über den Schreibtisch, dann setzte sie sich auf das Sofa und legte sanft die Beine übereinander.
    »Im Viertel haben alle Angst«, flüsterte sie, »es wird alles Mögliche erzählt.«
    »Und was genau?«
    »Gerüchte. Widersprüchliche Berichte. Ich habe sogar gehört, der Mörder soll einer von euch sein.«
    »Einer von uns?«
    »Ja, ein Polizist.«
    Schiffer wischte diesen Gedanken mit einer Handbewegung weg.
    »Erzähl mir von Ruya Berkes.«
    Gozar strich über das Deckchen, das ihre Armlehne bedeckte: »Sie lieferte ihre Arbeit alle zwei Tage hier ab. Sie kam zum letzten Mal am sechsten Januar, zwei Tage später tauchte sie nicht mehr auf. Mehr kann ich nicht sagen.«
    Schiffer zog sein Heft aus der Tasche und tat, als läse er darin. Paul erkannte, dass dies ihm half, Ruhe zu bewahren. Die »teyze« ließ ihn offensichtlich zappeln.
    »Ruya ist das zweite Opfer des Mörders«, fuhr er fort, die Augen auf die Seiten gerichtet. »Wir haben die Leiche am zehnten Januar gefunden.«
    »Gott sei ihrer Seele gnädig.« Noch immer spielten ihre Finger mit der Spitze. »Aber das geht mich nichts an.«
    »Es geht euch alle an. Und ich brauche Informationen.«
    Der Ton wurde schärfer, doch Paul merkte dem Gespräch eine seltsame Vertrautheit an. Eine Komplizenschaft zwischen Feuer und Wasser, die nichts mit dem Fall zu tun hatte.
    »Ich habe nichts zu sagen«, wiederholte sie. »Das Viertel wird diese Geschichte genauso vergessen wie alle anderen Geschichten auch.«
    Die Worte, die Stimme, der Ton veranlassten Paul, die Türkin genauer zu beobachten. Sie richtete ihren schwarzen, von Rotgold übermalten Blick auf Chiffre. Er dachte an mit Orangenschalen gefüllte Schokolade. Vor allem aber begriff er in diesem Moment eine im Raum schwebende Wahrheit: Gozar Hal-man musste die osmanische Frau sein, die Schiffer beinahe geheiratet hätte. Was war geschehen? Warum war aus der Geschichte nichts geworden?
    Die Fellhändlerin zündete sich eine Zigarette an, langsam und lässig stieß sie den blauen Rauch aus. »Was willst du wissen?«
    »Wann hat sie ihre Mäntel abgeliefert?«
    »Gegen Abend.«
    »Kam sie allein?«
    »Allein. Immer.«
    »Weißt du, welchen Weg sie nahm?«
    »Rue du Faubourg-Poissonnière. Um diese Zeit sind sehr viele Leute auf den Beinen, falls du das wissen willst.«
    Schiffer kam auf die allgemeinen Umstände zu sprechen: »Wann ist Ruya Berkes nach Paris gekommen?«
    »Im Mai 2001. Hast du Marius noch nicht getroffen?«
    Er ignorierte die Frage.
    »Was für eine Frau war sie?«
    »Aus bäuerlichen Verhältnissen, aber sie hatte in der Stadt gelebt.«
    »In Adana?«
    »Erst in Gaziantep, dann in Adana.«
    Schiffer beugte sich nach vorn, dieses Detail schien ihn zu interessieren.
    »Stammte sie aus Gaziantep?«
    »Ich glaube, ja.«
    Er ging im Zimmer auf und ab und berührte die Nippes-sachen: »Konnte sie lesen und schreiben?«
    »Nein, aber sie war eine moderne Frau, keine Sklavin alter Traditionen.«
    »Ging sie in Paris spazieren? Ging sie aus? Ging sie in die Kneipe?«
    »Ich habe modern gesagt und nicht heruntergekommen. Sie war Muslimin. Du weißt ebenso gut wie ich, was das bedeutet. Sie konnte außerdem kein Wort Französisch.«
    »Wie zog sie sich an?«
    »Wie eine aus dem Westen.« Ihr Ton wurde lauter. »Schiffer, worauf willst du hinaus?«
    »Ich will wissen, wie der Mörder sie überrascht haben kann. Ein Mädchen, das das Haus nicht verlässt, mit niemandem redet, keinerlei Abwechslung hat, ist schwer anzusprechen.«
    Das Verhör drehte sich im Kreis. Dieselben Fragen wie vor einer Stunde, dieselben vorhersehbaren Antworten. Paul stellte sich vor die Glaswand, die auf die Werkstatt ging, und schob den Vorhang beiseite. Die Türken setzten ihre Arbeit fort. Geld wechselte von einer Hand in die nächste, über den zusammengelegten

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