Das Imperium
zu bleiben, wie es die Umstände erforderten. Für Jess gab es genug Kummer, um ihn auf lange Zeit beschäftigt zu halten.
Er wusste, dass sie sich während der nächsten Zeit besser aus dem Weg gehen sollten. Jess konnte kaum glaube, dass ihm der Tod seines Bruders Ross die Freiheit gab, Cesca zu lieben. Und wenn Bram starb… Dann war Jess das Oberhaupt des Tamblyn-Clans und damit ein durchaus akzeptabler Ehemann für die zukünftige Sprecherin.
Perfekt – so als hätten sie alles geplant.
Aber auf diese Weise zueinander zu finden, war weder für Jess noch für Cesca annehmbar. Komplexe Regeln bestimmten die Gesellschaft der Roamer. Wenn Cesca und er ihre Liebe zu offen und zu bald zeigten, angesichts einer solchen Tragödie, so mussten sie mit Ächtung rechnen.
Eine Stunde später öffnete Bram Tamblyn die Augen und setzte sich auf. Er hustete zweimal, erzitterte, sank aufs Polster zurück – und starb so schnell und leise, dass Jess kaum glauben konnte, was geschah. Er griff nach dem Arm seines Vaters und versuchte, Leben zu spüren. Aber er fühlte nichts, keinen Puls, kein noch so leichtes Zucken.
Cesca umarmte ihn und sie beugten sich beide übers Bett. Jess rief und schließlich kam jemand herein, gekleidet in einen dicken Parka. Durch die Tränen in seinen Augen konnte er nicht erkennen, um wen es sich handelte. »Tasia? Wo ist meine Schwester? Unser Vater ist tot.«
Sein Onkel Caleb strich die Kapuze zurück und wirkte ungewöhnlich nervös. Jess hob die Stimme. »Habt ihr sie gefunden? Bringt sie hierher.« Er schüttelte den Kopf. »Wie viele Orte gibt es auf Plumas, wo man sich verstecken kann?«
»Ich komme von der Oberfläche, Jess. Eins der Tamblyn-Schiffe ist verschwunden, ein kleiner Scout. Und Tasias Quartier ist leer. Offenbar hat sie einige Sachen mitgenommen, außerdem ihren Kompi EA.«
Cesca sah Jess an, als sie zu verstehen begann. »Sie ist fortgelaufen, um sich den Tiwis anzuschließen! Verdammt, warum konnte sie ihr Temperament nicht unter Kontrolle halten?« Jess ließ den Kopf hängen und verbarg das Gesicht hinter den Händen. In vielerlei Hinsicht war Tasia wie ihr Vater.
Jess dachte daran, wie sich Bram während der letzten Stunden seines Lebens gefühlt haben musste, und diese Überlegungen rissen eine weitere Wunde in seine Seele. Er blieb am Totenbett seines Vaters sitzen, hielt die leblose Hand seines schwierigen, anspruchsvollen Vaters und fühlte das Gewicht des Universums auf den Schultern.
55 KÖNIG FREDERICK
»Ich habe um dieses Treffen mit Ihnen gebeten, Frederick, um über Ihren Ruhestand zu sprechen«, sagte Basil Wenzeslas.
Ein Lächeln vertrieb die Überraschung aus dem Gesicht des Königs. »Das wird auch Zeit, Basil. Seit siebenundvierzig Jahren sitze ich auf dem Thron. Ich bin müde geworden und habe darauf gewartet, dass Sie einen Nachfolger für mich finden.« Er ging zu einem kleinen Tisch, auf dem Karaffen mit erlesenem Sherry standen – eines seiner vielen Laster, noch dazu eines, dem er besonders gern frönte. »Von mir hören Sie gewiss keine Einwände. Ich habe diese Pflichten lange genug erfüllt. Möchten Sie einen Drink, Basil?«
»Nein.« Der Vorsitzende wanderte durchs private Quartier des Königs. Er war zu ruhelos, um sich zu setzen.
»Dann nehme ich einen für Sie.« Frederick griff nach einer kristallenen Karaffe und gab bersteinfarbene Flüssigkeit in ein Glas. Er sah kurz zu Basil, füllte das Glas dann ganz. Der Große König der ganzen Menschheit brauchte nicht um Erlaubnis zu fragen.
Frederick wusste schon seit einer ganzen Weile, dass Basil und die anderen Oberhäupter der Hanse nach einem Ersatz für ihn suchten. Er war nicht so naiv zu glauben, dass der Vorsitzende keine entsprechenden Pläne entwickelt hatte, ob er sie nun geheim hielt oder nicht. Mithilfe seiner eigenen Spione hatte Frederick vom ersten Kandidaten erfahren, Prinz Adam, der allerdings zu halsstarrig und damit für die Zwecke der Hanse ungeeignet gewesen war. Seit Jahren wartete der König darauf, seine Krone einem Nachfolger zu überlassen. Eigentlich erstaunte es ihn, dass sich Basil erst jetzt mit einer solchen Ankündigung an ihn wandte.
Er trank einen großen Schluck vom süßen Sherry. »Ich freue mich sehr auf den Ruhestand. Ich habe es satt, dass man mich tagaus, tagein beobachtet.«
Basil hob verwundert die Hände, eine Geste, die dem Luxus des Flüsterpalastes galt. »Ich verstehe Sie nicht Frederick. Sie haben alles, was man sich wünschen kann.
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