Das Imperium
Warum sollten Sie vom Ruhestand träumen? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Wir unterscheiden uns, Basil. Sie könnten sich nie vorstellen, Ihre Arbeit aufzugeben, aber ich sehne mich danach, dass dies alles aufhört.«
Basil beschloss, Platz zu nehmen. »Wenn ich mich in den Ruhestand zurückziehen würde, um mich zu ›entspannen‹, Frederick… Vermutlich würde ich mich nach spätestens sechs Monaten von einer hohen Klippe stürzen.«
»Daran zweifle ich nicht, alter Freund«, sagte der König.
Der Vorsitzende und der König hatten etwa zur gleichen Zeit ihre Arbeit für die Hanse begonnen. Basil war von seinem Vorgänger auf die Leitung der Terranischen Hanse vorbereitet worden, während die Ausbildung des Prinzen stattfand. Aber im Gegensatz zu Basil hatte der junge Frederick schon damals im Rampenlicht gestanden. Seit fast einem halben Jahrhundert herrschte er über die Erde und die anderen Menschenwelten, und das reichte ihm. Er trank erneut einen Schluck Sherry. »Basil, ich habe genug von Zeremonien, Fahnenschwingen und jubelnden Mengen, die schon dann applaudieren, wenn ich auf den Balkon trete – als wäre das genug, um die Herzen meiner Untertanen mit Ehrfurcht zu erfüllen.«
»Die meisten Leute würden Sie darum beneiden«, erwiderte der Vorsitzende ruhig.
»Dann wählen Sie jemanden aus und geben Sie ihm meinen Job.« Der König ließ sich in einen vergoldeten und edelsteinbesetzten Sessel sinken. Dutzende von Künstlern hatten die Polster mit Darstellungen und geometrischen Mustern bestickt, die für Frederick längst ihren Reiz verloren hatten. Er seufzte schwer.
Ganz deutlich erinnerte er sich an den Tag, an dem er zum Großen König geworden war. Die damaligen Oberhäupter der Terranischen Hanse hatten eine neue Vergangenheit für ihn erfunden, sein früheres Leben ausgelöscht und es durch eine andere Identität ersetzt. Damals hatte sich Frederick glücklich geschätzt, den Luxus und das ganze Drum und Dran der Macht genossen.
Doch irgendwann wurden selbst die schönsten Dinge langweilig.
Frederick glaubte, im Großen und Ganzen ein guter König gewesen zu sein. Er war kein Betrüger oder Hochstapler, denn es hatte nie einen »echten« König Frederick gegeben. Er selbst hatte diese Person erschaffen, ihre Rolle gespielt. Und zwar recht ordentlich, wie er fand.
Sein Vorgänger war König Bartholomäus gewesen, ein freundlicher, überschwänglicher älterer Mann, mit dem Frederick gut ausgekommen war. Bartholomäus behandelte ihn so wie ein echter König seinen leiblichen Sohn. Bevor er sich in den Ruhestand zurückzog, hatten sie in aller Offenheit über ihre Situation gesprochen. Damals war es dem jungen Frederick schwer gefallen zu glauben, dass der alte Mann einfach so auf sein Amt verzichten wollte, aber heute verstand er ihn.
Die Hanse hatte Bartholomäus’ Tod in Szene gesetzt und dafür gesorgt, dass sein Leibarzt ein »friedliches Ableben im Schlaf« bescheinigte. Anschließend hatte der »verstorbene« König ein neues Gesicht und eine neue Identität bekommen, um die nächsten zwanzig Jahre in herrlicher Anonymität auf Relleker zu verbringen. Ja, er hatte den Flüsterpalast und den Thron aufgegeben, dadurch aber auch viel gewonnen.
Basil lehnte sich zurück und musterte den alten König. »Seien Sie unbesorgt, Frederick. Wir kümmern uns um alles, wenn Sie in den Ruhestand treten.«
»Das haben Sie mir versprochen, Basil. Und ich vertraue Ihnen.«
Der Vorsitzende lachte leise. »Solche Worte höre ich nicht mehr von vielen Leuten, Frederick. Ich weiß sie zu schätzen.«
Der König schenkte sich ein zweites Glas Sherry ein und gab vor, Basils missbilligenden Blick nicht zu bemerken. Im Lauf der Jahre hatten seine Selbstzweifel immer mehr zugenommen, als er die Manipulationen und Machenschaften der Hanse beobachtete. Aber er stellte Basils Anweisungen nie infrage und erfüllte all das, was die Hanse von ihm erwartete. Kritik stand ihm nicht zu.
Verdiente ein Großer König tatsächlich solchen Jubel? Die Bevölkerungen der von Menschen besiedelten Welten verehrten ihn fast wie einen Gott. Doch er – jener Mann, den man gezwungen hatte, den fiktiven Namen Frederick anzunehmen – war nur deshalb ausgewählt worden, weil er bestimmte Voraussetzungen erfüllte. Er hatte das richtige Erscheinungsbild, natürliches Charisma und eine Stimme mit perfekter Klangfarbe. Und er war fügsam.
Eigentlich steckte nicht mehr dahinter als Zufall. Eine Überwachungskamera hatte
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