Das Imperium
Bilder von ihm aufgezeichnet und anschließend war er bei einem strengen Auswahlverfahren übrig geblieben. Andernfalls hätte er ein ereignisloses Leben geführt und vielleicht eine Familie mit Söhnen und Töchtern gehabt. Möglicherweise hätte er in einem kleinen Haus gewohnt, aber wenigstens in Frieden, ohne ständig den Blick der Öffentlichkeit auf sich zu spüren. Er wäre kaum imstande gewesen, Einfluss auf die Entwicklung im Spiralarm zu nehmen. Vermutlich hätte er nicht einmal im eigenen Wohnblock Spuren hinterlassen – und wenn schon.
»Ergreifen Sie alle Maßnahmen, die Sie für notwendig halten, Basil«, sagte Frederick. »Aber bitte kümmern Sie sich bald darum.«
Wer auch immer seine Nachfolge antreten würde: Er beneidete und bemitleidete ihn.
56 RAYMOND AGUERRA
Im Flüsterpalast gab es hunderte – tausende? – von Räumen, Fluren und Kammern. Ein riesiger Bereich war für das Publikum nicht zugänglich und deshalb ahnte die Öffentlichkeit gar nicht, wie wenig sie zu sehen bekam.
Nachdem sich Raymond mit seiner neuen Situation abgefunden hatte, erstaunte es ihn immer wieder, wie viel es zu entdecken gab – obgleich Basil Wenzeslas und der Lehrerkompi OX seine Bewegungsfreiheit einschränkten. Bei jeder neuen Forschungstour verblüffte ihn der allgegenwärtige Luxus, den er jeden Tag genießen konnte. Immer dann, wenn er glaubte, alles Beeindruckende gesehen zu haben, fand er etwas, das ihn von neuem verblüffte. Es war fast zu viel für ihn.
Raymond bedauerte sehr, dass seine Mutter und Brüder dies alles nicht sehen konnten.
In einen schimmernden Badeanzug gekleidet sauste er durch eine Wasserröhre, die zu einem Schwimmbecken mit beheiztem Meerwasser führte. Er klatschte nicht besonders elegant ins Wasser, schloss aber rechtzeitig den Mund. Zu Beginn des Schwimmunterrichts hatte er zu seiner großen Verlegenheit immer wieder Wasser geschluckt und gehustet. Aber während der letzten Wochen hatte er immer mehr Gefallen am Schwimmen gefunden und inzwischen verbrachte er viel Zeit damit, trotz der vielen anderen Ausbildungsaktivitäten.
In jüngeren Jahren hatten er und seine Brüder gelegentlich im öffentlichen Schwimmbad geplanscht. Angenehme Empfindungen verbanden sich mit diesen Erinnerungen, aber Raymond war damals skeptisch geblieben, hatte sich nie richtig mit dem Wasser anfreunden können. Doch hier im Palast sah die Sache anders aus. Das Meerwasser im Schwimmbecken hatte genau die richtige Temperatur und es gab genug Bedienstete, die ihn sofort retten konnten, wenn er in Schwierigkeiten geriet. Es gab nichts zu befürchten und dadurch verlor der Junge Anspannung und Scheu.
Er tauchte, schwamm unter Wasser, so weit er konnte, mit offenen, grünblauen Augen, sah unten einen Grund, der welligen Meeresboden simulierte. Raymond fragte sich, ob auch der alte König hier badete. Aber wahrscheinlich standen Dutzende von ähnlichen Becken zu seiner persönlichen Verfügung. Die Ungläubigkeit, mit der Raymond all dieser Extravaganz begegnete, ließ ihn gleichgültig werden.
Er kam wieder an die Oberfläche, prustete und strich sich blondes Haar aus den Augen. Mit ruhigen Zügen und noch immer ein wenig ungeschickt schwamm er zum Rand des Beckens. Raymond war fest entschlossen, weiterhin zu üben und zu einem guten Schwimmer zu werden. Basil Wenzeslas und die anderen Leute, die ihn in diesen goldenen Käfig gesperrt hatten, freuten sich über seine Bereitschaft, Neues zu lernen, trotz des strengen Lehrplans, dem er den größten Teil seiner Zeit widmen musste.
OX stand wie eine metallene Statue am Beckenrand. Er hielt ein Handtuch bereit, obwohl es gar nicht nötig war, dass Raymond aus dem Wasser kam – der Unterricht konnte auch so weitergehen. »Ich habe mehrere Lektionen vorbereitet, junger Peter. Sollen wir beginnen?«
Inzwischen störte es Raymond nicht mehr, dass man ihn mit dem falschen Namen ansprach. Der Vorsitzende Wenzeslas gewährte ihm so viele Vorzüge, damit er die Rolle von König Fredericks Sohn spielte, dass er bereit war, darauf einzugehen. Eigentlich machte es gar keinen Unterschied. Wenn man nicht mehr von ihm verlangte, so hatte er viel für wenig bekommen.
Raymond trat Wasser. »Ich bin ganz Ohr, OX.« Wasser floss aus dem Rohr und Blasen stiegen aus Thermoschlitzen im vermeintlichen Meeresboden. »He, warum erzählst du mir nicht von dir selbst? Du bist einer der ältesten Kompis, die ich je gesehen habe. Dein Modell wird seit etwa zehn Jahren nicht mehr
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