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Das Imperium

Das Imperium

Titel: Das Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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einzelnen Fäden des Clans fester verknüpfen.
    Jess griff nach der Hand seines Vaters und spürte ein Zucken in den Finger, ein bestätigendes Signal. Allerdings wusste er nicht, was ihm der Kranke dadurch mitteilen wollte. Die jüngsten Ereignisse hatten Jess zutiefst verunsichert, aber er blieb auch weiterhin fest entschlossen, alles Notwendige zu tun.
    Nachdem Ross vor Jahren fortgegangen war, hatte Bram seinem zweiten Sohn immer mehr Aufgaben übertragen und ihm das Gefühl gegeben, verantwortlich zu sein. Er lernte, nie zu klagen, alles hinzunehmen. Jess kannte die Rolle, die er spielen, die Verpflichtungen, die er übernehmen musste – er sah seinen Weg klar vor sich. Im Lauf der Jahre war er härter geworden und hatte eine Persönlichkeit entwickelt, die vielleicht zu sehr der seines Vaters ähnelte. »Ich werde dich nie enttäuschen«, hatte er dem alten Bram versprochen und es war wie ein heiliger Schwur gewesen.
    Doch Jess zwang sich, flexibler zu sein. Im Gegensatz zu seinem unbeugsamen Vater konnte er sich widrigen Umständen anpassen und auf bessere Gelegenheiten warten.
    Jetzt würden die Wasserminen von Plumas seinen Onkeln gehören, wenn er sich nicht selbst darum kümmerte. Zwar hatte er hart gearbeitet, um genau auf diese Situation vorbereitet zu sein, aber trotzdem fühlte sich Jess überwältigt. Er hatte sich an die Hoffnung geklammert, dass Ross und sein Vater irgendwann Frieden schließen würden, doch dazu konnte es nie mehr kommen.
    Während der alte Mann unruhig schlief, genoss Jess Cescas tröstende Gesellschaft. Er hatte sich immer gewünscht, viel Zeit mit ihr zu verbringen… aber nicht auf diese Weise. Sie ahnte, was ihm durch den Kopf ging, und griff nach seiner Hand. Ihre Finger fühlten sich weich und warm an und Jess erwiderte ihren Druck, mied aber Cescas Blick, um sich keinen Hoffnungen hinzugeben. Dies war jene Gelegenheit, die sie sich beide ersehnt hatten, und dadurch wurde alles noch viel schwerer.
    »Du weißt, dass ich dich liebe, Cesca«, sagte Jess leise. »Du weißt, dass ich dich mehr begehre als jede andere Frau im Spiralarm. Aber es kann nicht sofort geschehen. Es wäre opportunistisch, wenn ich dich jetzt bitten würde, meine Frau zu werden, weil mein Bruder umgebracht wurde. Wie sollte ich imstande sein, damit zu leben? Wie sollte unsere Liebe wachsen, mit einer solchen dunklen Wolke über uns und während Vater vor meinen Augen stirbt?«
    Seine Lippen zitterten und er atmete tief durch, bevor Cesca antworten konnte. »Wo ist Tasia? Wir müssen sie holen«, fügte er rasch hinzu.
    Tränen glänzten in Cescas Augen, die dadurch größer und dunkler wirkten. »Unsere Zeit wird kommen, Jess. Wir haben unseren eigenen Leitstern. Das weißt du. Wir stehen dies durch. Ich helfe dir mit meiner Unterstützung und meiner Liebe, aber wir dürfen keinen Schatten auf deinen Clan oder das Andenken von Ross werfen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Roamer schlecht von uns denken oder der Tamblyn-Clan in Verruf gerät.«
    Jess sah Cesca an. »Wir dürfen auch nicht zulassen, dass du in Verruf gerätst, Cesca. Du wirst die nächste Sprecherin aller Clans sein. Politischer Schaden muss von dir ebenso fern gehalten werden wie von Jhy Okiah. Deine Fähigkeit, uns alle zu führen, darf nicht beeinträchtigt werden. Derzeit können wir es uns nicht leisten, unsere eigenen Interessen in den Vordergrund zu schieben.«
    Cesca schloss die Augen und schien es kaum zu ertragen. »Wir können warten. Wir wissen, dass wir füreinander bestimmt sind, Jess – wenn nicht jetzt, dann bald.«
    Cesca Peroni war das einzige Kind ihres Vaters, der zwei Brüder und eine Schwester hatte, jeweils mit mehreren Kindern. Der Clan-Linie der Peronis mangelte es also nicht an Stärke. Cesca war schlicht und einfach ein einzelner Zweig ganz oben im Stammbaum.
    Sie hatte Geschichte studiert, kannte die Clans und ihre Verbindungen untereinander. Über jahrzehntelange Fehden wusste sie ebenso Bescheid wie darüber, welche Blutlinien die stärksten waren. Jhy Okiah hatte dafür gesorgt, dass sich Cesca mit all diesen Einzelheiten befasste. Als zukünftige Sprecherin musste sie nicht nur eine gute Politikerin und Verwalterin sein, sondern sich vor allem mit den Familienbeziehungen der Roamer auskennen – das war eine unabdingbare Notwendigkeit.
    Jess schwieg und bittersüße Stille senkte sich auf sie herab, als sie zum schwachen Alten auf dem Bett sahen. Sie würden es beide erdulden müssen, so lange getrennt

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