Das Imperium
Brand ums Leben gekommen, und Raymond wollte diese Tragödie nicht vergessen. Vielleicht war das von Anfang an die Absicht des Vorsitzenden gewesen.
Seit einiger Zeit reagierte er immer wieder mit Trotz und Eigensinn, wenn der Lehrer-Kompi mit bestimmten Aufgaben an ihn herantrat. Manchmal weigerte er sich, selbst einfache Dinge zu erledigen, die Basil von ihm verlangte, aus reiner Aufsässigkeit. Doch OX und der Vorsitzende wiesen darauf hin, dass Raymonds Zukunft ganz allein vom Wohlwollen der Hanse abhing.
»Du bist ein intelligenter junger Mann, Peter«, hatte Basil einmal gesagt. »Sei nicht kindisch. Dein Verhalten ist enttäuschend. Du bist wie ein bockiger kleiner Junge.«
Bei jener Gelegenheit hatte Raymond dem Vorsitzenden gegenübergesessen. Er erinnerte sich an die Wutanfälle seiner Brüder. Rita Aguerra war es immer gelungen, damit fertig zu werden. Er bedauerte sehr, nicht auf ihre Hilfe zurückgreifen zu können – er schien kaum in der Lage zu sein, sein Verhalten zu kontrollieren.
»Stell dir vor, wie dein Leben ohne unser Eingreifen am Tag der Katastrophe aussähe. Der Luxus, den du genießt, ist nicht umsonst.« Basil klang väterlich und beugte sich vor. Die Strenge wich aus seiner Miene. »Wir verlangen nicht viel von dir. Vielleicht gefällt es dir manchmal nicht, das zu tun, was man dir sagt, aber du musst wissen: Niemand in der Hanse – kein Fabrikarbeiter, kein Künstler, nicht einmal der Vorsitzende – ist vollkommen frei. Niemand von uns hat die Möglichkeit, ganz seinen Wünschen entsprechend zu leben. Man muss Zugeständnisse machen, um die Früchte einer bestimmten Situation zu ernten.« Basil saß gerade, wie ein Geschäftsmann, der eine Besprechung beendete. »Verstehst du?«
Raymond nickte, noch immer verwirrt und voller Groll. Aber ihm wurde nun klar, dass er anderes vorgehen musste. Es galt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
An jenem Morgen hatte sich OX gefreut, als Raymond darum bat, eine Zeit lang allein arbeiten zu können – er wollte sich mit den im Flüsterpalast zugänglichen Datenbanken befassen. »Ich verspreche, nicht zu versuchen, verbotenen Bereiche zu betreten«, sagte er. »Ich bin nur neugierig auf die anderen Planeten der Hanse. Es gibt so viele Kolonien draußen im All. Als König kann ich sie vielleicht einmal besuchen.«
Der kleine Lehrer-Kompi gab ein anerkennendes Geräusch von sich. »Selbst als König würdest du viele Jahre brauchen, um alle neunundsechzig Kolonialwelten der Hanse zu besuchen.«
»Kann ich mich wenigstens mithilfe der Datenbanken über sie informieren?«, fragte Raymond und versuchte, keinen zu großen Eifer zu zeigen.
»Das wäre eine sehr nützliche Beschäftigung, Prinz Peter. Da du der zukünftige König bist, kannst du auf praktisch alle Dateien zugreifen.«
Das Gewicht der Verantwortung lastete schwer auf Raymonds Schultern. Er war nicht sicher, ob er irgendwelche Staatsgeheimnisse in Erfahrung bringen wollte.
Er verbrachte Stunden mit höflichen interaktiven Computersystemen und sah sich den Inhalt geographischer Dateien verschiedener Welten an. Manche waren reich und exotisch, andere karg und öde. Raymond las die Namen von Welten, von denen er noch nie gehört hatte: Palisade, Boone’s Crossing, Cotopaxi.
Rein zufällig stieß er auf die planetaren Dateien der islamischen Welt Ramah. Er zögerte und erst nach einigen Sekunden fiel ihm ein, warum dieser Name so vertraut klang. Vor vielen Jahren war sein Vater dorthin geflohen und hatte nie wieder etwas von sich hören lassen.
Raymond fragte sich, wie weit seine Freiheit wirklich ging, als er detaillierte Bevölkerungsdaten für Ramah abrief. Der Name Esteban Aguerra fehlte. Die relativ kleine Kolonie auf Ramah gestaltete ihr Leben nach islamischen Prinzipien und in der Hanse kam ihr keine nennenswerte Bedeutung zu. Raymond stellte fest, dass fast alle Namen arabischer Herkunft waren, und daraufhin überlegte er, ob sich sein Vater vielleicht einen anderen Namen zugelegt hatte. In dem Fall blieb Esteban Aguerra für immer verschwunden.
Er erinnerte sich noch an den Monat und das Jahr, in dem Esteban Aguerra seine Familie verlassen hatte, nach einem langen Streit mit Rita. Es fiel Raymond nicht weiter schwer herauszufinden, welches Kolonistenschiff im betreffenden Zeitraum nach Ramah gestartet war.
Er forderte eine Liste der Passagiere und die Esteban Aguerra zu-, gewiesene Kolonistennummer an. Auf Ramah, so stellte Raymond fest, war Esteban zum Islam
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