Das Implantat: Roman (German Edition)
Glock im Raum.
Vaughn hat das Gesicht in seiner Armbeuge vergraben und gibt heisere Schreie von sich.
»Ach, hör auf zu flennen«, sagt Lyle mit einem katzenhaften Grinsen.
»Du hast versprochen, ich könnte ihn den Behörden übergeben«, keucht Vaughn. »Du hast es versprochen.«
Lyle schnalzt tadelnd mit der Zunge. »Hör dich an. Du warst mal eine echte Bank. Als ich dich gefunden habe, Mensch, da hattest du noch Eier. Jetzt bist du nur noch ein trauriger, fetter, alter Normalo.«
Ich bin wieder auf den Beinen. Mit zur Abwehr bereiten Händen versuche ich, mich Vaughn zu nähern.
»Hilf mir«, bittet Vaughn den Cowboy.
»Er will, dass ich ihm helfe«, sagt Lyle zu mir und verdreht die Augen. Ohne den Blick ganz von mir abzuwenden, stellt er sich über den Senator und spuckt Worte auf den schwitzenden, blutenden Mann hinab.
»Du hattest nie die Fäden in der Hand, du Genie. Nachdem ich der Presse heimlich vom Echo Squad erzählt habe und so für seine Auflösung gesorgt habe, habe ich das ganze Land nach einem Typen wie dir abgesucht. Was deiner kleinen Tochter passiert ist, war
so traurig.
Ich habe dir die Idee mit dem PHCC eingeflüstert. Hab dir erzählt, was du hören wolltest. Aber, mein Gott, inzwischen müsstest du eigentlich dahintergekommen sein. Aber nein, du hast immer noch keine Ahnung. Ich habe dich bloß aufgebaut, um dich zu
vernichten.
«
»Nein«, erwidert Vaughn, der jetzt ganz offen weint. »Nein, wir haben doch zusammengearbeitet.«
»Ich habe dich zu mehr als einem Menschen gemacht. Ich habe dich zu einem
Symbol
gemacht. Du bist der menschlichste Mensch, den es gibt, Kumpel. Und gleich, wenn ich deinen schreienden Arsch über die Brüstung dort befördere und du vor den zehn Millionen Fanatikern, die wir geschaffen haben, zerplatzt wie eine Melone? O Mann. Dann wird ein
echter
Krieg ausbrechen.«
»Was ist mit den Amps?«, höre ich mich selbst fragen.
»Wir bringen sie in eine Lage, in der sie kämpfen oder sterben müssen. Wir zwingen sie, diese Apartheid zu überwinden.«
»Man wird sie umbringen.«
»Vielleicht. Aber du musst verstehen, Gray. So, wie die Welt jetzt ist, bin ich nicht mehr wert als ein räudiger Hund. Ein Werkzeug in den Händen eines anderen. Doch in der neuen Welt? Scheiße, da bin ich ein Kriegsherr. Der König der Barbaren. Kann nach Belieben meine Herrschaft über dieses Land errichten. Wer weiß, Mann, vielleicht sogar über die Welt.«
»Du wirst dafür sorgen, dass fünfhunderttausend Menschen abgeschlachtet werden, sonst nichts.«
»Ach, du enttäuschst mich. Du denkst in zu kleinen Maßstäben, Gray. Glaubst du, Europa wird einen Genozid zulassen? Der Rest der Welt hat ja keine Probleme mit Implantaten. In China werden sie sogar vom Staat ausgegeben, mein Gott. Diese Sache wird schnell globale Dimensionen annehmen. Und wir werden vorneweg reiten.«
»Hilfe«, ruft Vaughn und schafft es, ungefähr zehn Zentimeter auf die Tür zuzukriechen, bevor er erschöpft zusammensackt. Auf der verletzten Seite hat er den Arm eng an den Körper gezogen und hält ihn mit dem anderen Arm fest. Sein teures Sakko ist schon ganz aus der Form, und auf seinem Kopf fällt mir zum ersten Mal eine vor Schweiß glänzende kahle Stelle auf. Der Marmor ist mit Blut beschmiert.
Lyle sieht Vaughn amüsiert zu. »Hilfe? Hilfe gibt’s nicht. Deine toten Bodyguards liegen fein säuberlich aufgestapelt vor der Tür, Penner.«
Dann zwinkert er mir zu und fährt fort: »Erinnerst du dich an deine kleine Freundin Samantha? Sie und ich haben dieselbe Entwicklung vorausgesehen. Sie hat sich in die Hosen gemacht und ist vom Dach gesprungen. Ich hingegen habe den Stier bei den Hörnern gepackt. Wir leben nur einmal, Kumpel. Ein einziges Mal. Mehr kriegen wir nicht. Und ich habe vor, mein Zeichen zu setzen. Ich meine, sieh uns an.«
Lyle geht zu den Flügeltüren, zieht sie auf und blickt über die murmelnde Menge. Selbst von hier kann ich die geballte Hitze spüren, die von den vielen Menschen ausgeht. Lyle dreht sich um, steht wie Vaughn vorhin als dunkle Silhouette vor dem Himmel – und seine Augen leuchten so lebendig, wie ich es nie zuvor gesehen habe.
»Wer in der Welt der Menschen will über uns urteilen, wenn wir verglichen mit ihnen wie Engel sind?«, fragt der Cowboy.
Vom Boden aus beobachtet Vaughn seinen ehemaligen Verbündeten mit vor Angst geweiteten Augen. Der Senator ist blass. Sein rechter Arm zuckt unkontrolliert.
»Mit dem Autofokus sollte den Menschen
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