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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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Patienten, die ein Gerät der Firma tragen, können nur noch mit einer Notfallversorgung rechnen.

8
    Nachtleben
    W enn die Nacht über Eden hereinbricht, werden vor den dicht an dicht stehenden Wohnwagen Duftkerzen und alte Papierlaternen angezündet, und hier und da huschen Kinder mit Taschenlampen vorbei und malen unruhige Lichtstreifen in die Dunkelheit.
    Den Hintern auf einem rostigen Klappstuhl gebettet, sitze ich mit Jim auf seiner schummrigen Veranda. Er reicht mir eine kalte Dose Bier, und wir sehen zu, wie das nächtliche Treiben der Siedlung immer mehr in Schatten getaucht wird. Er schweigt beharrlich, und inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.
    Jim hatte recht: Es werden Frontlinien gezogen. Wie jetzt im Dunkeln gut zu erkennen ist, steht ungefähr jeder dritte Wagen leer. Blanke Schläfen gibt es in Eden so gut wie nicht mehr. Alle »rein menschlichen« Bewohner haben ihre Siebensachen gepackt und sind aus der Siedlung verschwunden. Ihren Platz haben gehetzt wirkende Amp-Familien aus der Umgebung eingenommen. Sie mieten die leer gewordenen Wohnwagen. Überall auf dem Parkplatz sind ihre glänzenden neuen Autos zu sehen. Neuankömmlinge aus allen Himmelsrichtungen sammeln sich hier, die oft nicht mehr gemeinsam haben als das kleine Stück Metall in ihrem Hirn.
    Sie sind nicht hier, weil sie in Eden sicher sind – oder auch nur willkommen. Sie sind hier, weil sie nirgendwohin anders können. Weil es sonst keinen Ort gibt, an dem sie eine Unterkunft mieten, ihre Kinder zur Schule schicken und vielleicht sogar Arbeit finden können. Sie haben keine andere Möglichkeit. In gewisser Weise rennen wir gerade alle um unser Leben. Einen Platz zu finden, an dem man halbwegs in Ruhe gelassen wird, ist da schon sehr viel wert.
    Und selbst das ist uns nicht vergönnt.
    Es erschreckt mich, wie schnell ich mich an das Scheinwerferlicht gewöhne, das ständig über die Wohnwagen der Siedlung geschwenkt wird. Manchmal sind auch Schüsse und johlendes Gelächter von der anderen Seite des Zauns zu hören.
    Die hiesigen Amps scheint das nicht zu stören. Uns gegenüber hat ein Typ mit freiem Oberkörper das fleckige Rechteck aus Beton, auf dem einst ein weiterer Wohnwagen stand, zu seiner Freiluftwerkstatt gemacht. Er hat einen Campingstrahler an einem Ast befestigt, und darunter dient ihm eine von zwei Böcken gestützte Tür als Werkbank, um die überall Werkzeuge und leere Bierflaschen auf dem Beton verteilt sind. Ohne sich darum zu kümmern, was jenseits des Zauns vor sich geht, schraubt der Mann an den Knien eines aus Plastik gefertigten Exoskeletts herum, das wie eine Leiche auf der Tür aufgebahrt ist.
    Ein blinkender roter Punkt hüpft vorbei. Ein Teenager mit einem alten Ghettoblaster auf der Schulter, der mit dem tragbaren Abspielgerät in der Tasche seines Kapuzenpullis verbunden ist. In die Buchse an seiner Schläfe hat der Jugendliche ein rotes Lämpchen eingesetzt, das im Rhythmus der Musik pulsiert. Ist er stolz darauf, ein Amp zu sein, oder ist er sich einfach nicht bewusst, dass die Buchse von vielen Menschen als Stigma betrachtet wird? Wie die Antwort darauf auch lauten mag: Auf diese Weise ist das Implantat jedenfalls nicht zu übersehen.
    All die flüchtigen Geräusche der Siedlung – die leise geführten Gespräche, die lachenden Kinder, das gelegentliche Kreischen eines Druckluftwerkzeugs, ja sogar das gedämpfte Wummern irgendwelcher Bässe – verbinden sich zu einem vertrauten Klangteppich. Menschliches Treiben. Irgendwie beruhigend. Auf seine eigene Weise ist Eden eine funktionierende kleine Gemeinschaft. Die Leute hier sind an den äußersten Rand der Gesellschaft gedrängt worden und klammern sich verzweifelt aneinander, um nicht den Verstand zu verlieren, aber so viel bekommen sie noch hin.
    Fast normale Menschen, die fast normale Leben führen.
    »Ich habe es satt, die ganze Zeit von dir angeschwiegen zu werden, Jim«, sage ich. »Wieso werde ich gesucht? Worum handelt es sich bei diesem Zenith?«
    »Psst, sprich das Wort nicht so laut aus«, erwidert Jim. »Es gibt nur eine Handvoll Leute auf der Welt, die wissen, was es bedeutet. Wenn du klug wärst, wärst du froh, nicht zu ihnen zu gehören.«
    Jim sieht sich argwöhnisch um. Mit gesenkter Stimme fährt er fort: »Es ist ein Implantat wie jedes andere auch. Wird keinen Superhelden aus dir machen. Hilft nur deinem Gehirn zu verarbeiten, was um dich herum so geschieht.«
    »Ich muss mehr wissen als das, Jim. Viel mehr.«
    »Ich will

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