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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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verfolgt mich bis in den Schlaf, sickert in meine Träume.
    Schnick, schnick, schnick.
    Sonntagmorgen. Wieder wache ich in dem winzigen zweiten Schlafzimmer auf, das zu Jims Wohnwagen gehört. Heute wird nicht gearbeitet, und darüber bin ich verdammt froh. Ich bin am Ende. Unter der alten Häkeldecke, die Jim mir gegeben hat, fühlen sich meine Arme und Beine stocksteif an. Zum ersten Mal im Leben habe ich schmutzige Schwielen an den Händen. Mir tut alles weh, und ich bin dankbar für die Schmerzen, denn sie halten mich davon ab, ständig an Pittsburgh zu denken. An die Menschen, die ich dort verloren habe.
    Ich bin erst seit ein paar Tagen in Eden, und zu viel mehr als zum Arbeiten, Schlafen und ein paar fruchtlosen Versuchen, Jim zum Sprechen zu bringen, scheine ich nicht gekommen zu sein. Gestern hat mir der alte Mann einen gefälschten Führerschein in die Hand gedrückt und mir im Wohnzimmer die Haare kurz geschnitten. Hat mir gesagt, ich sollte besser für mich bleiben. Die Stadt meiden und es auf keinen Fall dazu kommen lassen, dass sein Kennzeichen überprüft wird.
    Schnickschnickschnick.
    Ich zwinge mich, die Augen zu öffnen, und stoße einen erschrockenen Schrei aus. Hinter dem mit einem Fliegengitter abgedeckten Fenster neben meinem Bett steht etwas. Irgendein graugesichtiges Monster. Nicht größer als ein Kind. Es beobachtet mich.
    Es ist ein kleiner Junge. Hat sich anscheinend auf den Rand des alten Whirlpools draußen gestellt. Vor seinem kleinen Schmerbauch hält er ein buntes Objekt in den Händen und fummelt und dreht in rasender Geschwindigkeit daran herum. Er spielt mit einem
Rubik’s Cube –
einem Zauberwürfel.
    Er lächelt mich an und presst die Stirn ans Fenster. Kleine scharfe Zähne blitzen in seinem Mund auf. Mit den Händen dreht er weiter an dem Würfel.
    Irgendwas stimmt mit dem kleinen Jungen nicht. Seine Ohren sitzen zu niedrig und sind kaum mehr als zwei fleischige Klumpen. Auch seine kleinen, schlammfarbenen Augen stehen zu weit auseinander. Zwischen seiner Oberlippe und seiner ferkelartigen Himmelfahrtsnase wirkt die Haut unnatürlich glatt. Ein klassischer Fall von fetalem Alkoholsyndrom, daran lassen die verzerrten Gesichtszüge des Jungen keinen Zweifel.
    Und er ist ein Amp. Wie ich trägt er an der Schläfe eine Wartungsbuchse. Auch verrät ein nur eben so zu erkennender rechteckiger Umriss im Weiß des linken Auges, dass ihm dort ein Netzhautimplantat eingesetzt wurde. Jetzt sitzt dort ein winziger Chip, der die Welt ständig nach Daten abtastet und sie an den Neuronalen Autofokus weiterleitet, der sich hinter der Schläfe des Jungen verbirgt.
    Der Knabe hat ’ne Menge Hardware im Körper, doch sein Lächeln ist echt. Es gehört zu einem kleinen Jungen und nicht zu einem Monster. Doch was genau in seinem mit der gelblichen Wartungsbuchse versehenen Kopf vorgeht, lässt sich sowieso nicht sagen. Heutzutage ist es praktisch unmöglich, vom Gesicht eines Menschen auf seinen Geist zu schließen.
    »Hallo«, sagte der Junge mit lauter, klarer Stimme. »Ich bin Nick. Du bist Owen.«
    »Wenn du das sagst«, erwidere ich, während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe.
    »Ich bin ein Freund von Jim. Komm, steh auf. Ich will dir Eden zeigen.«
     
    Laut Nick ist Eden eine Insel. Und sie wird von Haien umkreist. Von richtig großen, fiesen Menschenfressern.
    Während wir durch die Wohnwagensiedlung laufen, weicht mir der Junge nicht von der Seite. Ich habe das Gefühl, selbst wenn ich wollte, könnte ich ihn nicht abschütteln. Eden ist zu klein und Nicks Persönlichkeit zu raumgreifend. Er schildert mir seine Theorie. Oder besser gesagt: seine vielen Theorien. In den zehn Jahren, die er ungefähr schon auf der Welt sein muss, hat der kleine Kerl sich jede Menge Gedanken gemacht, und er ist alles andere als abgeneigt, sie mir mitzuteilen.
    Nick bewegt sich wie ein junges Hündchen. Seine kleinen braunen Hände sind immer in Bewegung. Manchmal macht er damit langsame, bedächtig wirkende Gesten. Manchmal zappelt er so hektisch damit rum, dass man ihnen kaum folgen kann.
    Er schafft den Zauberwürfel in unter dreißig Sekunden.
    »Ich benutze hauptsächlich die Fridrich-Methode«, erklärt Nick, während er mich durch die Siedlung führt. »Nur was für Fortgeschrittene. Wenn ich die richtigen Fingertricks benutze, kriege ich vier Drehungen auf einmal hin. Mehr als zehn Drehungen in der Sekunde. Um so schnell sein zu können, muss man den Würfel natürlich gut schmieren.«
    Nick

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