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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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befehlen, den Abzug zu drücken. Reaktionszeit. Der zentrale Grundsatz der Chronometrie, verdammt noch mal. Wenn an deiner Glock immer noch das serienmäßige Abzugsgewicht eingestellt ist, brauchst du ziemlich genau hundertzehn Millisekunden, um den Abzug zu betätigen. Dann trifft der Schlagbolzen aufs Zündhütchen, und es kommt zu einer chemischen Reaktion. Wenn die Explosion da ist, muss die Patrone noch die gut zehn Zentimeter zurücklegen, die der Lauf lang ist. Der ganze Prozess dauert ungefähr eineinhalb Sekunden. Shit, Mann, das ist eine
halbe Ewigkeit!
«
    Der Junge liegt immer noch auf dem Boden und beobachtet das Ganze aus der Froschperspektive. Er hat vor Staunen den Mund geöffnet und ist nach wie vor nicht wieder ganz bei Atem.
    »Weißt du, warum ich das alles weiß?«, fragt Lyle.
    »Weil du ein verdammter Freak bist«, antwortet der Cop.
    Unmerklich sind auch die anderen Mitglieder von Lyles Gang näher gerückt. Man kann ihre Wut förmlich spüren. Mit raschen Bewegungen zündet sich einer der Halbstarken eine E-Zigarette an, ein anderer schnipst gerade eine leere Nikotinkartusche auf den Boden.
    »Na, na, an deiner Stelle wäre ich etwas freundlicher. Schließlich stehst du hier allein auf weiter Flur. Und deine Beine funktionieren auch nicht mehr.«
    Überrascht reißt der Cop die Augen auf. Vor Anstrengung grunzend müht er sich ab, als er ein Bein heben will. Nichts passiert. Die Motoren in seinem Bein-Exo rühren sich plötzlich nicht mehr. Er schlägt sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel, dann mit der Faust. Versucht mit einem Ruck, die Beine zu bewegen, verliert dabei jedoch das Gleichgewicht. Die Waffe glänzt dunkel in seiner Hand, während er mit den Armen rudert.
    Bevor der Cop umkippt, springen die Beine auf einmal wieder an, so dass er sich mit knapper Not fangen kann. Mit hochrotem Gesicht wirft er halb wütende, halb beschämte Blicke um sich. Die Waffe hält er mit beiden Händen an die Brust gepresst.
    »Ich frag noch einmal«, sagt Lyle. »Weißt du, warum ich das alles weiß?«
    »Ich habe keine Ahnung«, stammelt der Cop. »Warum? Warum weißt du das alles?«
    »Weil ich deinen Kugeln ausweichen kann, mein lieber Freund und Helfer.«
    Lyle lügt nicht.
    Unwillkürlich frage ich mich, was sich da hinter meiner Schläfe verbirgt. Und wenn Lyle der Einzige ist, der es mir sagen kann, will ich es dann wirklich wissen? Vielleicht sollte ich das Ding lieber für den Rest meines Lebens weiterschlummern lassen.
    Der Polizist blickt auf seine um den Griff der Waffe geschlungenen Hände hinab. »Du bist doch verrückt«, sagt er.
    Der Cowboy betrachtet ihn ungerührt. »Du kannst hier rumwüten, als würde alles dir gehören, Freund und Helfer. Du hast alle Macht der Welt. Aber meine Macht solltest du auch anerkennen.«
    Der Cop hört ihm gar nicht mehr zu. Mit seinen leicht abgehackten Schritten, die jetzt irgendwie albern wirken, marschiert er davon. Man kann sehen, dass es ihn Mühe kostet, nicht zu rennen. Vielleicht kommt er in ein paar Minuten mit Verstärkung zurück. Vielleicht aber auch nicht.
    Ich will mich gerade umdrehen und reingehen, da fällt mir der Junge auf, den der Cop verprügelt auf. Mit leuchtenden Augen blickt er zu Lyle auf. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Cowboy einen neuen Bewunderer gewonnen hat.
    Es dauert einen Moment, bis mir einfällt, woran mich der Gesichtsausdruck des Jungen erinnert. An die Blicke der Menge, die Senator Vaughn bei seiner Rede vor dem Unigebäude in Pittsburgh zugehört hat. An dem Tag, als meine Welt in sich zusammengefallen ist wie ein Kartenhaus.
    Lyle dreht sich einfach um und geht davon. Ignoriert den Jungen ebenso wie alle restlichen Anwesenden und verschwindet wieder in dem Geschwader aus leuchtenden Punkten. Im Gesicht hat er immer noch einen leicht träumerischen Ausdruck. Hinter ihm erkenne ich Lucy. Mit beunruhigter Miene beobachtet sie mich dabei, wie ich Lyle beobachte.
    »Bei ihr musst du vorsichtig sein«, sagt Jim.
    »Bei Lucy? Warum?«, frage ich. »Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber sie ist der netteste Mensch, den ich bisher hier getroffen habe.«
    Auf mich wirkt sie wie der normalste und ausgeglichenste Einwohner, den die Siedlung zu bieten hat. Bringt einem alten Mann Essen. Hat dem Cop wahrscheinlich das Leben gerettet. Handelt menschlich.
    »Du hältst sie für einen guten Menschen, weil du selbst ein guter Mensch bist«, meint Jim.
    »Willst du behaupten, sie ist keiner?«
    »Ich weiß es

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