Das Implantat: Roman (German Edition)
Straucheln gerate und auf den Knien lande. Während ich mir die Augen wische, trifft mich ein weiterer Brocken Erde am Hinterkopf.
Meine Tränen verwandeln den Staub zu Schlamm.
»Jungs!«, bellt da plötzlich eine tiefe Stimme. Sofort verstummt das Lachen. Das Bombardement hört auf, und ich kriege endlich wenigstens eins meiner Augen sauber. Verschwommen sehe ich einen großen Kerl mit flusigem Bart vor mir. Mit einer Bierdose in der einen Hand und einem Gewehr in der anderen kommt er auf uns zumarschiert.
»Danke«, rufe ich, während ich mich aufrichte. »Diese Jungs sind vollkommen außer Kontrolle.«
»Halt’s Maul, Amp«, sagt der Mann.
Die Worte treffen mich wie eine Ohrfeige. Eine, die so kräftig ist, dass man sie erst später spürt.
»Hast Glück, dass ich dich nicht einfach abknalle. Lass gefälligst meine Jungs in Ruhe«, fügt der Mann hinzu und baut sich dicht vor mir auf.
»Ja, zeig’s ihm, Billy«, ruft der blonde Junge.
»Halt’s Maul«, befiehlt der Mann ihm.
»Tut mir leid, Billy«, antwortet der Junge.
Ich weiche zurück. Mit seinem Bier, seinem Gewehr und seinem sicherlich vorhandenen Frust wirkt der liebe Billy ein bisschen zu gefährlich. Schon die Kids sind nicht gerade freundlich, dieser Hinterwäldler jedoch scheint es todernst zu meinen. Trotz meines Rückzugs kommt er weiter auf mich zu und gerät immer mehr in Rage.
»Diese Jungs sind Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, Amp. Und du bist gar nichts. Hast du das kapiert?«
Billy stößt mir gegen die Brust. Dabei fällt mir auf, dass er auf der Hautfalte zwischen Daumen und Zeigefinger ein kleines Tattoo trägt. Zwei winzige Großbuchstaben:
EM
.
Das gleiche Kürzel, das der Gorilla bei der Demo damals in Pittsburgh auf der Hand hatte.
Ich starre es kurz überrascht an.
In dem Moment bekomme ich einen Tritt in die Hüfte. Ich torkele zur Seite, und schon setzt es noch mehr Tritte. Wieder brechen meine Peiniger in höhnisches Gelächter aus, und erneut werde ich von einem Erdklumpen getroffen. Ich falle auf die Knie, versuche, mir den Dreck aus den Augen zu wischen und gleichzeitig die Tritte der weichsohligen Sneaker abzuwehren, die von allen Seiten auf mich einhageln.
»Also bleib mit deinem wertlosen Amp-Arsch gefälligst in deinem Rattenloch«, sagt Billy.
Ich falle auf den Bauch. Immer wenn ich die Augen gerade frei habe, bekomme ich einen weiteren Erdklumpen ins Gesicht. Verzweifelt stütze ich mich auf alle viere, während das Gelächter einmal mehr anschwillt.
Ich spüre etwas Feuchtes in meinem Nacken, und vor Schreck springe ich auf die Füße. Den Arm schützend vor die Augen gelegt, haste ich zurück Richtung Siedlung. Auch auf meiner Flucht treffen mich noch weitere Erdklumpen am Rücken.
»Und komm ja nicht wieder!«, ruft Billy mir hinterher.
Zum Glück folgen sie mir nicht auf die andere Seite des Zauns.
Nick ist weg. Wo er stand, glänzen dunkel ein paar Blutflecken auf dem Boden. Über meinem Kopf wiegen sich die Äste sanft im Wind.
»Nick?«, rufe ich.
Nichts, nur das an- und abschwellende Zirpen der Zikaden in den Bäumen.
Ich fasse mir in den Nacken und rieche an meinen Fingern. Pisse. Diese Jungs haben mich vollgepisst, während ich hilflos wie ein Kleinkind über den Boden gekrochen bin. Wie ein Amp-Loser. So haben sie mich genannt. Einen wertlosen Freak.
Ich wische mir die Hände an der Hose ab und erstarre dann plötzlich. Lucy ist hinter ihrem Wohnwagen hervorgekommen. Sie beobachtet mich. Sie hat Jeans an, und im hellen Licht des Morgens fallen mir zum ersten Mal die Sommersprossen auf, die die Haut unterhalb ihrer ernsten Augen sprenkeln. Das Licht lässt sie noch schöner aussehen.
»Nick ist in Ordnung«, sagt sie. »Ich habe die Wunde gesäubert und ein Pflaster draufgeklebt. Was ist mit dir? Brauchst du Hilfe?«
Was mit mir ist? Nun ja, ich würde vor Scham am liebsten auf der Stelle im Erdboden versinken. Ich bin voll mit langsam antrocknender Teenagerpisse.
Lucy macht einen Schritt auf mich zu, und ich zwinge mich zu einem Lächeln. Will so tun, als sei alles nur ein alberner Streich gewesen, der mir nicht viel ausmacht. Kein großes Ding. Aber die Wort bleiben mir im Halse stecken und wollen nicht herauskommen.
Erst jetzt steigt Wut in mir auf, und ich stemme die Hände in die Hüfte, um ihr Zittern zu verbergen. Wie gern würde ich jetzt Schädel zertrümmern, Augen aus ihren Höhlen reißen und – zur Hölle, ich weiß nicht – heulen. Stattdessen gebe ich
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