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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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betrachtet er das Geschmier aus Spucke und Schmutz um mich herum.
    »Also gut. Wo sind deine Werkzeuge, Kumpel?«, will Lyle wissen.
    Ich kann immer noch nicht mehr tun, als angestrengt durch zusammengebissene Zähne zu atmen.
    »Was sagst du?«, fragt Lyle. Während er mich mustert, kaut er nachdenklich auf einem Klumpen Tabak herum. Erneut spuckt er einen braunen Spritzer in die durchsichtige Plastikflasche.
    »Langsam fange ich an, mir Sorgen zu machen«, sagt er.
    Mit der Spitze seines Stiefels dreht er mich vorsichtig auf den Rücken. Meine Arme sind übersät mit aufgescheuerten Stellen und blauen Flecken, doch das scheint ihn nicht zu interessieren. Er hält seine dunklen Augen starr auf das gerichtet, was ich immer noch in der linken Hand halte.
    Plötzlich wird Lyle sehr ruhig. Ich kann den Ausdruck seiner schweißglänzenden Miene nicht deuten. Anteilnahme? Wut? Bedächtig spuckt er ein weiteres Mal in seine Flasche.
    »Ist das dein Ernst?«, fragt er und blickt dabei demonstrativ auf das getrocknete Blut an meiner Schläfe. »Du hast tatsächlich einen verdammten Eiszerkleinerer benutzt? Himmel, Mann. Wolltest es wirklich wissen, hm? Hattest du vor, dich
umzubringen?
«
    Eigentlich nicht.
    Ich sehe mit flehender Miene zu ihm hinauf. Ja, sagt mein spuckeverschmiertes Gesicht.
Ja, ich war sternhagelvoll und allein und wütend. Ich dachte, wenn ich den Zenith anschalte, könnte ich hier rausmarschieren und einen Typen namens Billy windelweich prügeln. Aber es hat nicht funktioniert, und ich hab’s verzockt. Ich habe keine Ahnung, was ich hier verdammt noch mal tue. Soll nicht wieder vorkommen, okay?
    Beim nächsten Atemzug nehme ich ganz leichten Ozongeruch wahr. Mist. Mein letzter Anfall ist schon Jahre her, aber das Gefühl, das man immer kurz davor bekommt, vergisst man nie. Oft kann man sich in den Sekunden, die dem Anfall vorausgehen, nicht mehr von irgendeinem winzigen Detail in der Umgebung lösen. Und so, wie ich auf das Glitzern der Wodkaflasche unter der Couch starre, kündigt sich hier ein Grand mal, also ein besonders schlimmer Anfall, an.
    »Ich verstehe«, meint Lyle. »Konntest es nicht mehr ertragen, hm?«
    Wieder winsele ich wie ein geprügelter Hund, und ich kann spüren, wie sich ein Sturm in mir zusammenbraut, wie die dräuenden Wolken über mir sämtlichen Sauerstoff aus der Luft saugen. Ich blicke Lyle noch ängstlicher und verzweifelter an. Meine Augen sagen überdeutlich: Bitte hilf mir!
Bitte, bitte, bitte, lass es nicht zu einem weiteren Anfall kommen.
    »Die Leute hier in der Siedlung haben mir schon von dir erzählt. War eigentlich gespannt darauf, dich zu treffen. Natürlich wusste ich da noch nicht, dass du ein Feigling bist.«
    Diesmal spuckt er den Tabaksaft nicht in die Flasche, sondern neben mich auf den Boden.
    »Ja, das Leben ist hart, oder? Erst recht, wenn man ein Amp ist. Hältst es einfach nicht mehr aus, was? Schuftest dich für den Mindestlohn ab. Hast keine Frau. Niemand respektiert dich. Da nehme ich mal an, und das ist nur eine Vermutung, aber von der Beweislage her … Ich würde sagen, du hast genug. Letztlich bist du bei einem simplen logischen Schluss gelandet – nämlich, dass das Leben als Amp nicht lebenswert ist.«
    Lyle beugt sich über mich und stellt die Flasche mit dem Tabaksaft neben mir ab. Dann packt er mich wie beiläufig an den Haaren. Er zerrt meinen Kopf vom Boden und gibt dabei ein erschöpftes Stöhnen von sich, als sei er Typen wie mich müde. Schließlich hebt er meinen Kopf so weit an, dass mein Gesicht knapp vor seinem ist.
    »Weißt du was, Freundchen?«, fragt er.
    Lyle betrachtet aufmerksam meine halb geschlossenen Augen. Sein Atem riecht nach Kautabak, und der Geruch vermischt sich mit dem beißenden Metallgeruch, der den nahen Sturm ankündigt. Schmutzige Falten zeichnen sich auf seinem mit dunklen Krähenschnäbeln und Federn tätowierten Hals ab. An seiner Schläfe kann ich gerade so die schattige Erhebung erkennen, unter der sein Gehirnimplantat liegt.
    »Ich empfinde diesen Schluss als
persönliche Beleidigung.
«
    Und mit diesen Worten versetzt er mir einen Fausthieb. Verpasst mir eine harte Rechte mitten ins Gesicht. Einer seiner Knöchel trifft mein Auge, und ich kann spüren, wie die Augenhöhle sich mit Blut füllt.
    Ich knalle mit dem Kopf auf den Boden und gebe ein erbärmliches Wimmern von mir. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich den schmutzigen Fußboden vor mir, auf dem sich Dreck und Krümel mit meiner Spucke

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