Das Implantat: Roman (German Edition)
Anhang A dieses Dokuments aufgeführt werden.
Die General Biologics Corporation rät allen Kunden, die Verwendung der betroffenen Produkte sofort einzustellen und unbenutzte Produkte zurückzusenden.
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Ein Sturm zieht auf
I ch habe den größten Teil der Nacht damit verbracht, mich auf dem Linoleumboden des Wohnwagens hin und her zu wälzen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Jetzt versuche ich, durch meine zusammengepressten Zähne Luft zu kriegen, und frage mich, ob ich mir eine neue Hirnverletzung zugezogen habe oder einfach nur dabei bin, verrückt zu werden.
In meinem benommenen Zustand kann ich mich grunzen und, nun ja, mit geschlossenem Mund quieken hören. Sollen wohl Hilferufe sein, hört sich aber eher nach einem winselnden Hund an, der von seinem Herrchen vor dem Supermarkt vergessen wurde. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich mir das Ganze selbst angetan habe.
Der letzte Anfall ist vorüber. Was bedeutet, dass jeden Moment der nächste kommen muss. Wann hört das endlich auf? Jim spielt immer noch Arzt auf Reisen, und die einzigen Menschen, die ich in Eden kenne, halten mich mit Sicherheit für einen jämmerlichen Feigling. Vergangene Nacht habe ich mir Mut angetrunken und meinen Zenith angeschaltet. Hab versucht, mich selbst zu finden. Dabei habe ich allerdings bloß herausgefunden, was ich bin, wenn mein Implantat nicht funktioniert: ein spastischer Krüppel.
Und dazu habe ich auch noch einen Kater.
Am rechten Schienbein habe ich eine fiese, eiförmige Schwellung, die im Takt meines Herzens pulsiert. Ich habe sie mir geholt, als ich bei meinen Zuckungen mit dem Bein die fast leere Wodkaflasche erwischt habe, die daraufhin durchs ganze Zimmer geflogen und unter der Couch gelandet ist. Auch mein verkrampfter Kiefer und mein Nacken tun weh. Überhaupt schmerzt mein ganzer wundgezappelter Körper.
Jemand dreht am Türknauf herum.
Kurz bilde ich mir ein, es sei Lucy. Blond und geschmeidig schwebt sie durch die Tür, um nach mir zu sehen. Nur ist es dunkel draußen, und ihr Gesicht ist wie von schwarzem Rauch verhüllt. Sie schafft es nicht zu mir herein. Mit ihren schlanken Fingern kratzt sie am Türrahmen. Doch dann fällt sie wieder ganz in die Dunkelheit zurück und ist verschwunden.
Ich will nach ihr rufen, bringe jedoch nicht mehr als einen langen Sabberfaden zustande, der mir langsam aus dem Mundwinkel läuft. Mein Magen krampft sich zusammen, und ich rutsche mit der Wange über den Boden, durch meine eigene Spucke und über die schmutzigen Fußabdrücke auf dem Linoleum.
Erneut höre ich jemanden an der Tür.
Ich schaffe es, den Kopf so zu drehen, dass ich sehen kann, wie jemand mit aller Kraft an der gerade erst reparierten Holztür zerrt. Schließlich springt sie auf, und ich spüre einen kühlen Lufthauch auf dem Gesicht.
Eine dünne Gestalt tritt aus dem grellen Sonnenlicht hervor und steckt den Kopf zur Tür herein. In einer Hand hat sie eine zerbeulte Plastikflasche, in der brauner Tabaksaft schwappt. Die Gestalt spuckt in die Flasche und sucht mit den Augen das Innere des Wohnwagens ab.
»Howdy ho! Jim? Bist du da?«
Es ist Lyle Crosby. Der lachende Cowboy. Eigentlich der letzte Mensch, den ich sehen möchte. Aber in meiner Lage darf ich nicht wählerisch sein.
Schließlich entdeckt Lyle meine zusammengekrümmte Gestalt auf dem Boden des Wohnwagens. Zu meiner Überraschung verzieht sich sein Mund zu einem breiten Grinsen, das alle seine Zahnlücken freilegt, und er lacht laut auf.
»Verdammt, Kumpel. Spielst du hier drinnen an dir rum? Muss dir nicht peinlich sein. Die Hälfte der Teenager mit Amps im Kopf machen das irgendwann. Sich selbst ein bisschen besser kennenzulernen schadet ja nicht. Nun, manchmal natürlich schon.«
Lyle lacht ausgiebig über seinen eigenen Witz. Dann schlendert er durchs Zimmer und lässt seine schwarzen Haifischaugen in aller Ruhe über die holzgetäfelten Wände, den abgenutzten Fernsehsessel und die als Bücherregal dienenden Pressspanbretter gleiten, auf denen zerlesene Western und dicke, vergilbte Bücher über den Zweiten Weltkrieg stehen.
»Ich habe Jim schon immer gesagt, dass er eine Frau braucht. Schau dir das alles doch nur an. Mit einer Frau im Haus würde es hier anders aussehen.«
Lyle nimmt eine alte Ausgabe des
Reader’s Digest
vom Tisch und blättert gelangweilt darin herum. Kurze Zeit später wirft er das Heft zurück auf den Stapel, der daraufhin vom Tisch rutscht und klatschend neben meinem Gesicht niedergeht.
Angewidert
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