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Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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»Zusammen mit diesem hier gibt es insgesamt vier Gebiete. Vor einiger Zeit haben wir ein fünftes Gebiet im Osten verloren, in der Nähe von Washington. Insgesamt kümmern wir uns um fast dreihunderttausend Amps, von denen die meisten in Gruppen an einzelnen Orten leben. Außerhalb unserer Gebiete leben noch mal ein paar hunderttausend. Aber in jedem Gebiet gibt es einen Anführer. Einen Zenith-Träger.«
    »Weiß Lucy davon?«
    Lyle legt den Kopf schief und sieht mich an. »Was soll denn diese Frage jetzt?«
    Ich zucke mit den Achseln.
    »Hast du dich in meine Schwester verguckt, Gray?«, fragt er mich grinsend. Da ich nicht antworte, redet er weiter. »Lucy ist ein braves Mädchen. Himmel, sie hat diesen Jungen bei sich aufgenommen, nachdem seine Normalo-Eltern abgehauen sind, und bekommt noch nicht mal Geld dafür. Aber über diese Sache hier weiß sie nicht viel. Und wir sagen ihr auch nichts. Schlechte Menschen sind hinter uns her. Je weniger sie weiß, umso besser für sie, verstehst du?«
    »Deswegen bist du also ständig unterwegs«, sage ich.
    Lyle zuckt mit den Achseln.
    »Ich will’s ihnen ja nicht zu leicht machen. Und ich habe meine Tricks. Erinnerst du dich an den Cop, dessen Beine plötzlich nicht mehr funktioniert haben?« Lyle hebt sein Hemd an und zeigt mir ein flaches Stück aus schwarzem Plastik, das im Bund seiner Jeans steckt. »Das Ding sendet schwache elektromagnetische Impulse aus. Die Autofokus-Geräte haben besonders widerstandsfähige Schaltkreise, deswegen macht ihnen elektromagnetische Strahlung nichts aus. Aber diese Bein-Exos, die von den Cops getragen werden, sind Billigware. Ihre Funkgeräte legt der Apparat ebenfalls lahm. Natürlich ist es manchmal egal, wie widerstandsfähig ein Schaltkreis ist. Bei einer Atomexplosion zum Beispiel wird so viel elektromagnetische Strahlung frei, dass wir mit unseren kleinen Elektrohelfern im Kopf noch älter aussehen als sowieso.«
    Daley lacht. Stilman nimmt einen weiteren Zug von seiner E-Zigarette. Stumm rollt der Rauch aus seinen Nasenlöchern und wabert durch seinen krausen Bart. Val blinzelt nur.
    »Die wahre Frage lautet«, sagt Lyle langsam, »warum
du
hier bist.«
    Alle vier Männer richten die Augen auf mich. Das vertraute Funkeln sengender Intelligenz ist in ihren Blicken zu erkennen. Und plötzlich auch eine gewisse Härte. Das hier ist ein Test. Er kommt so unerwartet, dass sich die Lügen in meinem Kopf verflüchtigen, noch bevor ich sie aussprechen kann. Also sage ich die Wahrheit.
    »Als es Probleme gab, hat mein Dad mir gesagt, ich solle hierherkommen. Hat gemeint, Jim sei ein Mann, dem ich trauen kann. Aber das ist nicht der wirkliche Grund, warum ich hier bin. Eine meiner Schülerinnen, ein Amp, ist vor meinen Augen in den Tod gesprungen. Ihr Name war Samantha. Sie war ein Genie, und die Behörden behaupten, ich hätte sie geschubst.«
    Lyle pickt sich mit seinem Zahnstocher in den Zähnen herum. Stilman stemmt lässig die Knöchel in die Hüfte, gerade oberhalb der Stelle, an der sich die längliche Form eines Taschenmessers durch den blauen Jeansstoff abzeichnet.
    »Aber kurz vor ihrem Tod hat Samantha mir noch etwas mitgeteilt«, erzähle ich weiter. »Sie hat gesagt, für uns gäbe es keinen Platz auf der Welt. Dass wir Amps hier nicht hingehören. Und das glaube ich nicht.«
    Die drei Generäle scheinen durch mich hindurchzublicken. Ihre vor der Brust verschränkten Arme heben und senken sich gleichmäßig im ruhigen Takt ihres Atems. Sie warten darauf, dass Lyle sich dazu äußert.
    Ohne darüber nachzudenken, mache ich einen Schritt rückwärts.
    Beinah unmerklich nickt Stilman Lyle zu. Daley schüttelt den Kopf und schnipst seine E-Zigarette auf den Boden. Daumen hoch, Daumen runter.
    Mit weit aufgerissenen Augen wende ich mich Valentine zu. Er beobachtet mich mit der Konzentration eines Schachspielers, geht sämtliche möglichen Züge durch. Schließlich nickt er knapp und starrt dann wieder in die Dunkelheit.
    »Gut genug«, sagt Lyle, woraufhin die Männer sich entspannen.
    Wenn ich mich nicht irre, hat Valentine mir soeben das Leben gerettet. Erleichtert atme ich aus.
    Der Cowboy lehnt sich gegen die Lagerhalle und zieht ein Knie an. Er nimmt seinen Hut ab und fährt sich mit dem Unterarm über die schweißnasse Stirn. Wischt sich die Haare aus dem Gesicht.
    »Dieses Mädchen war schlau«, meint er. »Und sie hatte recht. Die Welt, die wir kennen, hat aufgehört zu existieren, und niemand hat uns Bescheid gesagt.

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