Das Implantat: Roman (German Edition)
Feld abgehauen ist. Im nächsten Moment liege ich schon rücklings auf dem mit zerbrochenem Glas und Unrat übersäten Boden. Mumienartige schwarze Finger versuchen, meinen Hals zu packen. Wie in kurzen Schnappschüssen leitet mein Augenimplantat die Bewegungen des Monsters an meinen Zenith weiter. Verzweifelt ringe ich mit den dünnen und zugleich unfassbar starken Armen meines Gegners, stemme die Knie gegen seine spinnenartigen Beine. Als ich mich auf dem Boden abstützen will, bohrt sich eine Glasscherbe tief in meine rechte Hand.
Eigentlich müsste das weh tun, tut es aber nicht.
Wie beiläufig bemerke ich, dass ich tatsächlich gegen eine Art menschliches Insekt kämpfe. Es besteht aus nicht viel mehr als einem Kopf und einem Oberkörper, an dem vier dünne Prothesen angebracht sind. Jedes der künstlichen Glieder ist mit schwarzen Müllbeuteln umwickelt, die mit Gummibändern festgezurrt wurden. Bei jeder Regung stehen die Bauch- und Brustmuskeln des Drahtmenschen hervor wie Käfer, die unter seiner Haut leben. Der spindeldürre Kerl ist stark wie ein Bär und dazu noch schneller als ich.
Aber wenigstens wiegt er nicht viel. So schaffe ich es schließlich, ihn von mir zu wuchten. Mit dem Rücken zur Wand kämpfe ich mich auf die Füße. Auch wenn ich nichts spüre, meine Hand sieht böse aus. Wie eine kleine Haifischflosse ragt ein dunkles Stück Glas aus dem Ballen.
Ich stürze auf die Tür zu, höre dann jedoch den Drahtmann hinter mir und drehe mich um. Erschreckend, wie schnell er auf seinen knorrigen Spinnenbeinen laufen kann.
Seine Prothesen sind zu stark. Wie mit Baseballschlägern schlägt er damit auf meine Unterarme ein, die dank des militärischen Implantats in meinem Kopf die Hiebe mit fast schon unheimlicher Geschwindigkeit abblocken. Und seine Körperproportionen stimmen nicht. Die Arme des Drahtmanns sind viel zu lang für seinen Oberkörper, was das physikalische Rechenprogramm meines Zeniths durcheinanderzubringen scheint. Mein Gegner macht eine Finte und schafft es, einen Arm um meinen Hals zu schlingen. Gleichzeitig rammt er mir sein Knie in den Bauch, so dass ich gegen die Mauer pralle.
Während ich verzweifelt nach Luft japse, umklammert der Drahtmann meine Brust und drückt zu. Auch sein Knie presst er immer noch auf meine Lunge. Ich schließe die Finger um die in Folie gewickelten Metallarme und wende all meine Kraft an, um sie von mir zu lösen. Doch trotz aller Anstrengung – ich komme nicht zum Atmen.
Das Ding nähert sich meinem Gesicht. Als es spricht, sehe ich, dass zwischen seinen eingefallenen Wangen nur nacktes lilafarbenes Zahnfleisch und eine wurmartige Zunge lauern. »So leicht kriegt ihr Valentine nicht, Zenith«, zischt es.
Ließe es mich Luft holen, könnte ich diesem Ding vielleicht erklären, dass wir auf derselben Seite stehen.
Level drei bedeutet, dass ich ziemlich tief abgetaucht bin. Ich spüre zwar die Scherbe in meiner Hand, doch der Schmerz hat reinen Informationscharakter. Ich zwinge mich, die Arme des Drahtmanns loszulassen. Er stößt mir das Knie ins Zwerchfell, so dass ich Sternchen sehe. Ich habe höchstes noch genug Sauerstoff, um ein oder zwei Sekunden bei Bewusstsein zu bleiben.
Also nutze ich sie besser.
Ich lasse die Rechte im Bogen durch die Luft sausen und schlitze dem Drahtmann mit der Scherbe in meiner Hand die Stirn auf. Das Glas gräbt sich dadurch tiefer in mein Fleisch, aber auch über den Augen meines Gegners öffnet sich ein langer Schnitt, aus dem sofort das Blut spritzt.
Ein tonnenschweres Gewicht scheint sich von meiner Brust zu heben. Hustend und würgend sinke ich auf die Knie. Der Drahtmann windet sich auf dem Boden und spuckt Flüche und Spuckefetzen in meine Richtung. Ich schaffe es, zum Flur zu stolpern und die verzogene alte Tür hinter mir zu schließen.
Ich stemme mich mit dem Rücken dagegen.
Als ich meine Wunde betrachte, laufen medizinische Angaben wie ein Ticker durch mein Sichtfeld. Ich nehme meinen Ärmel zwischen die Zähne und reiße mit der gesunden Linken einen Streifen Stoff ab. Danach ziehe ich die Scherbe aus der Hand, binde den Stofffetzen darum und mache einen Knoten hinein.
Ich empfinde weder Schmerz noch Eile. Da ist nur der Zenith.
Feinste Vibrationen des Bodens verraten mir, dass auch in einem anderen Raum gekämpft wird. Dank des Zeniths weiß ich quasi intuitiv, wo sich Lyle befindet. Ich haste durch baufällige Korridore und Treppenhäuser, in denen es eigentlich stockdunkel wäre, die jedoch
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