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wenig Sinn; ich denke, wir machen weiter.«
»Ja«, sagte Johanna, und daran, daß sie ihre Tasche vom Tisch nahm und den Griff mit beiden Händen fest umklammerte, sah David: Sie holte zum entscheidenden Schlage aus. »Es wird uns nichts anderes bleiben, weil wir keinen Fachmann haben – oder was meinst du, Carola, du kennst dich aus mit den Unterlagen der Menschen hier im Hause, du bist die einzige, die sich damit jetzt noch auskennt hier; hast du eine solche Rarität in deinen Akten?«
Carola Krell sah von ihrer Faltarbeit auf, sah sehr unschuldig drein und wies mit der halbfertigen Schwalbe auf David. »Hast du nicht so etwas Ähnliches gelernt? Ich meine, es stünde in deinen Unterlagen.«
Du kannst so bleiben, dachte David: Ich meine, es stünde in deinen Unterlagen! – Ich hingegen meine, die Wissenschaft hast du weniger aus meinen Unterlagen als mehr aus anderen Lagen, aus solchen, die sich ergeben, wenn einer auf einer herumliegt, und dem einen ist so wohl dabei und auch nicht ganz geheuer, weil die eine so tut, als wäre dies die selbstverständlichste Lage der Welt, auch wenn der eine noch nicht so oft in solcher Lage gewesen und auch viel jünger ist als die eine mit den breiten Schultern, und da redet sich der eine heraus ausder neuartigen Lage, redet auf Männerweise von Sachen, mit denen er sich auskennt: von den Trinkgewohnheiten eines Fliegergenerals, von einem Lehrermenschen, der Kasten hieß, von Meister Treder, der ihn immer Daffi rief, von der Stadt Ratzeburg und dem Küchensee, von Wilhelm Groth und der Taube mit dem goldenen Verwundetenabzeichen, von Gedichten, in denen das Wörtchen laß vorkommt, von einer Taschenuhr der International Watch Company, von der Gefechtstaktik Gustav Adolfs und natürlich auch von der Gustav-Adolf-Muskete und dem Mannlicher-Stutzen und dem Carcano-Karabiner und Quadrantvisier und Perkussionsschloß und zylindro-ogivalen Geschossen: »Du mußt nämlich wissen, ich bin eigentlich Büchsenmacher …«
Du kannst so bleiben, dachte David und fragte sich wieder einmal, wer in dieser Runde, außer dem einen und der einen, von der Sache wisse, und war sich nur sicher, daß Penthesilea dies eine einmal entgangen war, und er sagte: »Das ist schon richtig; es steht in meinen Unterlagen: Ich hab Büchsenmacher gelernt.«
»Richtig«, rief Johanna Müntzer, »wo habe ich nur meinen Kopf! Genossen, es ist seltsam: Was weit zurückliegt, daran erinnere ich mich genau. Wenn ich so denke: Die Kunstdebatten in der AIZ, jedes Wort weiß ich noch, das da fiel: Kolbe, Albiker, Barlach, Manolo, Archi…«
»Das wird nun etwas komplex«, sagte der dritte Nachfolger, »kehren wir noch einmal zu dieser britischen Sache zurück, wir haben jetzt einen neuen Gesichtspunkt. Wir brauchten einen Fachmann, und es hat sich herausgestellt, Genosse Groth ist ein solcher Fachmann. Das gibt eine völlig neue Ideenverbindung. Mir ist nur nicht klar, Genosse Groth, warum du nicht selber diesen Hinweis gegeben hast.«
»Weißt du, ich dachte, es wird jemand gesucht, der da hinfahren kann, aber ich bin hier nun Redaktionsassistent, die Organisation, die Operativität …«
»Eben die Operativität«, sagte Chef III, »eben die Operativität verlangt, daß die Kader zweckmäßig eingesetzt werden;ehe du dich hier zum Bürokraten entwickelst, Genosse Groth, lassen wir dich wieder einmal etwas praktische Journalistenarbeit schmecken. Die Gelegenheit ist günstig, und es kommt überhaupt nicht in Frage, daß wir uns die britische Sache entgehen lassen. Ich schlage vor, wir nehmen diese Waffenschau sofort unter Rot in den Arbeitsplan. Ich danke, und ich bitte gleichzeitig um gründliche Vorbereitung; das wird eine sehr komplexe Angelegenheit.«
Sie wurde es. David kam nicht ganz von der Vorstellung los, die halbe Administration des Landes sei nunmehr mit ihm und seiner Reise befaßt; täglich wurden neue Anträge, Vorlagen und Briefe in den Verwaltungsorbit geschossen und umkreisten das Projekt Londonreise in Bahnen, deren Gesetze sich, wie es David scheinen wollte, einem Astrologen eher erschlossen hätten als einem Astronomen.
Auch hatten die Ressortvertreter im Hause den Vorgang keineswegs aus den Augen gelassen; fuhren sie schon nicht selbst, so hatte David eben ihre Interessen mit wahrzunehmen: Außenpolitische, handelspolitische, wirtschaftspolitische Gesichtspunkte wurden ihm eingeprägt; Hans Bammler vom Sport versah ihn mit den Ergebnislisten internationaler Schützenwettbewerbe;
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