Das Impressum
Redakteur Klotz, der zwar längst nicht mehr die Literatur, immer aber noch die Winke für die Hausfrau betreute, bat ihn, das Geheimnis der englischen Küche aufzuhellen; für Lilo sollte er den Tower begehen, sie hatte unter ihren Korrespondenten einen besonders hartnäckigen Englandspezialisten; Helga Gengk von der Reportergruppe hoffte auch auf ein Mitbringsel, eine Skizze wenigstens, und hielt schon den Titel bereit: Das Friedenslied auf der Oxford Street; und Gabelbach wollte ungefähr tausend Bilder.
David frischte seine fototechnischen Kenntnisse auf, kratzte ein bißchen mehr Englisch zusammen, ließ sich vom Hauptbuchhalter über die Tücken der britischen Währungs- und Maßsysteme aufklären, versah sich mit einigen Grundkenntnissen über Land und Leute, wurde mit Papieren undPapier die Fülle versehen und nahm Abschied von Familie und Freunden und der Neuen Berliner Rundschau.
Die Familie machte es kurz und sachlich, die kannte dies schon, aber Freunde entpuppten sich als Kenner von Schottenwitzen und Shakespeare, da tat man besser eilig, und Gabelbach nannte David mehrmals leicht gehässig Herr Kollege und meinte, England interessiere ihn ohnehin nicht so sehr, nach Amerika, ja, dahin führe er ganz gern noch einmal, und sollte es zu einer Reise in die USA kommen, in dem Falle habe er bessere Chancen als David und so mancher im Hause, denn er sei parteilos, und da es in den amerikanischen Gesetzbüchern stünde, daß ein Mann von Davids Gesinnung und Bindung seinen Fuß nicht setzen dürfe auf das Territorium der Vereinigten Staaten, sei es schon ganz nett, daß man ihn wenigstens auf die britische Insel lasse. Dann warnte er David vor dem gefährlichen Durcheinander, das auf Ausstellungen zu beobachten sei, zitierte den Korrespondenten Franz Hermann Ortgies, der einen Fall berichtet, in dem zwei Potsdamer Leutnante fahrlässig mit Schießeisen umgegangen waren und »dan der erste den andern bey starcker Verrückung der Flinte unvorsichtiger Weise durch den Kopf geschoßen« hatte, und mahnte, sollte Ähnliches sich in London begeben, so möge David mit der Kamera zur Stelle sein. Johanna Müntzer fragte David die »Lage der arbeitenden Klassen in England« ab, verzichtete aber auf eine Zeichnung des britischen Menschenbildes, verkniff sich jedoch nicht den Hinweis auf das Marx-Monument, das David natürlich besuchen müsse, auch wenn es als Bildwerk eher unbedeutend sei, es sei eine reine Kostenfrage gewesen, und bei dieser Gelegenheit erfuhr David auch, was Bertram Müntzer von Henry Moore gehalten hatte.
Dann endlich Flugplatz Schönefeld. Der Vertreter vom VEB Hohes Ziel, dem Suhler Jagdwaffenbetrieb, war leicht zu finden. Er stand schon am Prag-Schalter, hatte einen großen Koffer dabei und über der Schulter ein Gewehr in festem Futteral.
»Groth«, sagte David. »Guten Tag, ich glaube, wir beide sind hier verabredet.«
»Ich bin der Böwe Karl«, sagte der kleine Mann, »da wolln mir mal.«
Böwe Karl machte wenig Umstände; bis Prag hatte er David sein halbes Leben erzählt. Er war ein Experte, der schon ein wenig herumgekommen war, aber London war auch ihm neu.
»Was soll groß sein«, sagte er, »so ein Land ist meistens genau so, wie man es sich immer vorgestellt hat, nur, natürlich, man muß es sich richtig vorgestellt haben! Meine Frau wird jedesmal wütend, wenn sie fragt: Nu, wie war’s? und ich sage: Nu, genau so, wie ich’s mir gedacht habe. Und ein Gewese vor jeder Reise! Immer, als ob’s nach Amerika ginge! Ich sage dann jedesmal: Nach Amerika, Gerda? Mir nicht! Und ob man’s glauben möchte oder nicht: Das beruhigt sie.«
Das Gewehr führte er als Handgepäck mit; es war ein Drilling, eine Maßanfertigung für einen linkshändigen Peer; bevor es dem Kunden ausgehändigt wurde, sollte es noch auf der Ausstellung gezeigt werden. »Das andere Gelumpe haben wir schon hingeschickt, aber bevor ich mich von diesem Prachtstück trenne, hab ich gesagt, fahr ich lieber gar nicht. Eine Schreiberei war das, wegen der Beförderungsbestimmungen. Ich hab ein Zertifikat dabei, auf dem nischt weiter steht, als daß die Büchse in dem Zustand, in dem sie jetzt ist, nicht schießen kann, aber in sechs Sprachen, sogar in Portugiesisch. Ich hab gesagt: Ihr denkt wohl, in England haben sie portugiesische Zöllner? Ich sag: Da schreibt’s auch gleich noch auf Indianisch, falls mir auf der Reise zufällig durch Amerika kommen! Haben mir einen Spaß gehabt!«
Von Prag flogen sie mit einer
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