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Darstellung habe ich nichts zu ändern, wohl aber an der erstgenannten, die mein Tun im Jahre 33 betrifft. Was meine Haltung angeht, steht zutreffend in ihr; hinsichtlich meiner Handlungen aber hieltich die Angaben bewußt im ungenauen. Es scheint mir an der Zeit, den klaren Sachverhalt auszusprechen:
Am 10. Mai 33 wurde ich in meiner Eigenschaft als C. V.-Sprecher gemeinsam mit etwa fünfzig weiteren Studentenvertretern der Universität Köln zum Leiter der Pressestelle, Prof. Dr. Geldmacher, gerufen. Dieser erklärte, am selben Tage fände in der Reichshauptstadt ein Akt volkhafter Selbstreinigung statt, die Universität befreie sich, stellvertretend für das Volksganze, von deutschwidrigem Schrifttum. Selbstverständlich müsse sich unsere Hochschule in einem ähnlichen Akt zur neuen Idee bekennen, zumal Köln als erste deutsche Universität Männer des nationalen Wollens zu Rektor und Senat berufen habe.
Jedoch habe der Führer der Studentenschaft, ein gewisser Müller, den Rektor, Prof. Dr. Leupold, dazu bewogen, die Veranstaltung wider den undeutschen Geist des strömenden Regens wegen auf einen wettermäßig geeigneteren Tag zu verlegen.
Dann wurden Studenten benannt, die symbolisch für die verschiedenen Fakultäten den Akt durchführen sollten. Ohne mein Zutun zwar, aber auch nicht gegen meinen Widerstand, kam ich für die Philologen auf die Liste.
Da inzwischen die Geschichte ihr Urteil gesprochen hat, werde ich mich jeder persönlichen Wertung enthalten, zumal ich nicht weiß, ob das nicht doch zur Ausflucht drängte; ich teile zur Sache mit: Am 17. Mai 1933 habe ich etwa gegen 22 Uhr drei Bände eines deutschen Autors in den Scheiterhaufen geworfen und dazu gerufen: ›Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr.‹
Obwohl ich nicht weiß, wieweit ich ein Recht dazu habe, und ohne den Versuch damit zu verbinden, mich zu entlasten, füge ich der Wahrheit wegen hinzu, daß ich an diesem Vorgang nunmehr gänzlich ohne Überzeugung, also völlig opportunistisch teilgenommen habe. Zwar war mir der AutorKerr recht gleichgültig, aber nie wäre ich von mir aus auf den Gedanken gekommen, man müsse ein Buch ins Feuer werfen, weil man die in ihm ausgesprochenen Gedanken nicht teile.
Nicht gleichgültig hingegen, sondern eigenartig sympathisch waren mir zwei andere Autoren, deren Namen bei demselben barbarischen Akt gerufen wurden, woraufhin ihre Werke in die Flammen flogen. Es handelte sich um Heinrich Mann und Erich Kästner.
Aber ich habe dennoch mitgetan; ich will mich nicht lossprechen, und wenn ich im weiteren Teil dieses Lebenslaufes wahrheitsgemäß berichten werde, daß ich bei manchem anderen nicht mehr mitgetan habe, so geschieht das nicht der Reinwaschung wegen. Solche Reinwaschung ist nicht möglich.«
Hier endete der angestrichene Passus, und hier beendete David auch seine Lektüre.
»Nein«, sagte er, »nein, Carola, das kann doch nicht sein; der Gabelbach ein Bücherverbrenner, das ist Wahnsinn. Ich meine, ich weiß nicht, wie dir das geht, aber ich, wenn ich manchmal Bilder von damals sehe, wie sie durchs Brandenburger Tor ziehen oder in der Ukraine unter einem Galgen stehen, neben dem Galgen, als Zuschauer, oder jetzt die Bilder von der Kristallnacht, die lachenden Leute am Straßenrand, dann denke ich manchmal, jeder denkt das wohl mal, dann frage ich mich, frage die Leute, die da zu sehen sind und nicht anders aussehen als andere Leute: Und du da mit dem schönen Gebiß, wie geht’s dir denn inzwischen, was machst du, wie lebst du, weißt du noch, erinnerst du dich, was erzählst du denn, wenn dich die Kinder fragen? Manchmal denke ich mir Lebensläufe aus, das ist nicht schwer. Und doch ist es schwer; die Zeit ist vorbei, und automatisch denkst du, auch die Menschen sind vorbei, die sind nicht mehr.«
»Wir gehören auch dazu«, sagte Carola. »Es ist nur so: Ich war so erschrocken, weil ich den kenne. Ich weiß nicht, ob du verstehst: Das Bücherverbrennen ist immer als besonderes Beispiel für den Faschismus herausgestellt worden, undder Gabelbach kam mir immer wie einer vor, der richtige Arbeit macht.«
David versuchte, sich einen Fedor Gabelbach vorzustellen, der Bücher auf einen Scheiterhaufen warf und dazu irrsinnige Sprüche brüllte. Aber es gelang ihm nicht; der Kollege Gabelbach war ein Mann mit einer verwickelten Bildung, ein penibler Mensch, dem Unordnung
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