Das Impressum
wenn man sich mit solche Werkzeuge auskennt. Nun leg mal deine Liste beiseite, Schäfers, und du, David, vergiß mal dein Arsenal, du bist nämlich im Begriff, einen mächtig langen Schritt zu machen. Ich sage nicht, nun verwandelt sich dein Leben völlig und wird ganz anders, aber ich sage dir, jetzt mußt du noch mehr ran, sonst wird nischt. Von nun an fängt jeder, der was von dir will, mit folgende Einleitung an: ›Du als Genosse …‹ Du kannst det natürlich immer als eine Ehre auffassen, aber vor allem ist das eine Aufforderung, noch einen Schlag zuzulegen. Vielleicht sagst du det hier noch mal eindeutig: Daß dir das klar ist und daß du dich daran halten willst.«
»Das ist mir klar«, sagte David, »und daran will ich mich immer halten.«
»Denn is jut«, sagte Kutschen-Meyer, »dann stelle ich einen Antrag: Nun ist Sense mit der Debatte! – Oder willst du ihn nicht, Johanna?«
»Bist du verrückt?« sagte Johanna Müntzer. »Wer hat ihn denn vorgeschlagen, ich oder du?«
»Wir beede«, war Kutschen-Meyers Antwort, und Schäfers erfaßte die Lage: »Also führen wir einen Beschluß herbei. Der Parteileitung und der Mitgliederversammlung wird die Empfehlung zugeleitet, den Kollegen David Groth in die Reihen aufzunehmen. Begründung: Abgesehen von der bekannten Tätigkeit des Kollegen Groth als Assistent der Herausgeberin hat ein umfassendes Gespräch ergeben, daß alles in Ordnung ist, schulungsmäßig und dialektisch und auch persönlich, ist es nicht so?«
»Ja«, sagte Kutschen-Meyer, »und denn kannste in dein Protokoll reinschreiben: Wenn wir mal infolge der Zuspitzung des Klassenkampfes einen General brauchen …«
»Wehe dir, Schäfers«, rief Penthesilea, »wenn du so was erwähnst! Ein Wort, und morgen holt ihn Xaver Frank zur Polizei, aber, Genossen, ich brauche diesen Menschen jetzt hier!«
Und David hatte sich besonders kräftig bei JohannaMüntzer und Kutschen-Meyer bedankt, und gedacht hatte er: Das trifft sich, denn ich glaube, ich brauche euch auch.
Schäfers aber hatte sich an Johannas Weisung gehalten, und so hatte David weder ins Kriminalistische noch ins Militärische gemußt und sich umtun können im neuen Fach Pressewesen, und als dann doch noch einmal, ein Dutzend Jahre später, die Sprache auf Davids spezielle Beschlagenheit gekommen war, da hatte der Genosse Schäfers damit nichts zu tun gehabt. Er saß in seiner Pförtnerbude, als David auf die Reise nach London ging, und er saß in seiner Pförtnerbude, als David von seiner Reise wiederkam. Natürlich war die Reisegeschichte schon vor David her durch das Haus gelaufen, und der Pförtner ließ seinen Kollegen und Genossen nicht eher passieren, bis der einige Einzelheiten vom Flug über die Meere berichtet und seinen Betriebsausweis vorgewiesen hatte. So gleich zweimal zufriedengestellt sagte Schäfers: »Wenn man bedenkt, wie wir beide hier angefangen haben, und nun fliegen wir nach Amerika! Aber ich habe das damals schon ausgeführt: Es hat alles Entwicklungscharakter, ist doch in Ordnung. Man muß es einmal so sehen: Damals die paar Leute hier durch die Kontrolle, und heute hat man extrem durchlaufend zu tun. Jetzt ist die Abteilung Dokumentation gebildet; vollständig neue Kollegen. Man kommt aus dem Einprägen der Gesichter gar nicht mehr heraus; es ist ein Ausdruck der Entwicklung; alles fließt, Genosse Groth, und wie ich es sehe, fließen wir alle mit, ist es nicht so?«
Und nun war des Genossen Schäfers Flußfahrt zu Ende; auf dem Wege zum Dienst, drei Schritt vor dem Tor der NBR, war er zusammengesunken, »Managerkrankheit«, sagten seine Pförtnerkollegen, »eindeutiger Fall von Managerkrankheit: zuviel Verantwortung, zuwenig Bewegung und zu starker Kaffee, früher oder später jeht uns det alle so!«
»Früher oder später geht’s dir wie Schäfers«, sagte David zu Jochen Güldenstern, als er sah, daß der sich gleich nach dem Einsteigen in den Wagen den Hosenbund lockerte. »Hinterm Gürtel hast du einen Ansatz zum Manager, aber dir halte ichkeinen Nekrolog. Eine Unsitte ist das, dies Gerede am Grabe. Ich versteh’s ja, das sind so Scheinbewegungen, wo der Verstand einem noch stillesteht im Schrecken, Übungen sind das für die Übergangsphase zwischen Tod und weiterem Leben, aber ich sage dir: Wenn wir an so eine frische Grube treten, verwandeln wir uns alle in alte Germanen.«
Jochen Güldenstern, erfahren im Umgang mit dem Chefredakteur David Groth, dem Eiferer in Sachen überholte Gewohnheiten,
Weitere Kostenlose Bücher