Das Impressum
professionell.Sie sprach auch sehr professionell und hielt sich David vom Leibe. »Vorsicht, gewöhn deine Augen erst an das Rotlicht, sonst feuerst du noch die Schalen vom Tisch. Die Entwicklertanks sind wunderbar; so was hätte ich auch gern zu Hause.«
»Ich weiß nicht«, sagte David, »die Chemie hier, die riecht so – ich finde, die wirkt irgendwie sinnlich, findest du nicht?«
»Da hätte ich aber ein aufreibendes Leben«, sagte Fran, »und wieso: Bist du zum erstenmal hier im Labor?«
»Nee, aber sonst war da Fedor Gabelbach in dem Kittel; da kam die Chemie wohl nicht so zum Zuge. Gottes willen! – Aber jetzt kommt sie sehr zum Zuge. Je mehr ich in mich hineinhorche, um so mehr muß ich feststellen, daß sie ganz besonders sehr zum Zuge kommt. Glaubst nicht?«
»Ja, ja! – Halte Abstand, es ist hier so schon warm genug.«
»Es muß an der Chemie liegen«, sagte David, »sag mal: Springst du immer so rum, wenn du in einem Labor bist?«
»Wie springe ich rum?«
»So ohne was an unterm Kittel?«
»Ich hab was an unterm Kittel.«
»Wetten?«
»Bist du verrückt? Wenn Gabelbach kommt!«
»Kann er ja nicht. Er hat doch das elektrische Zeichen selbst anmontiert: ›Kein Eintritt jetzt! Phototechnische Arbeiten!‹ Das ist ja nun auch eingeschaltet, nicht? Da hat er ja selbst für gesorgt, daß das respektiert wird, nicht? Und denn ist hier ja auch noch ’n Riegel, nicht?«
»Du bist völlig meschugge«, sagte Fran, und dann sagte sie, als brächte es ihr ganzes Leben auf die Summe: »Und ich bin auch völlig meschugge.«
»Das ist schön«, murmelte David und murmelte noch: »Es könnte natürlich auch an dem Rotlicht liegen.«
Ungefähr nach elf Lichtjahren, ungefähr nach einer Millisekunde, ungefähr in Höhe des hellsten Kassiopeia-Sterns, ungefähr im Auslauf vom Holmenkollen, ungefähr als Magalhãeswieder nach Hause kam, ungefähr als Otto Hahn Lise Meitner so groß zunickte, ungefähr mit Berthold Schwarzens erstem Knall, ungefähr am achten Mai, vierten Juli, vierzehnten Juli, ungefähr am ersten Schultag, ungefähr am letzten Schultag, ungefähr an den Nilquellen, ungefähr über Paris im Cockpit der »Spirit of St. Louis«, ungefähr dort und dann sagte Franziska Grewe zu David Groth: »Jetzt müssen die Filme aus dem Entwickler.«
So sagte David: »Da müssen eben die Filme aus dem Entwickler, wir wollen es jetzt hier gleich einmal zeigen, Franziska!«
Der Penthesilea-Tonfall erinnerte ihn an Penthesilea und an die Vollversammlung und an die Konzeption und an den Tag da draußen und an den nassen Pfeiler und an den Mann davor und an den anderen Ausnahmezustand, und er sagte: »Wenn du wüßtest, was du mit mir fertigkriegst, Mädchen – hoffentlich kommst du nie drauf. Zeig mal die Bilder vom Leipziger Platz.«
Fran ließ das hingehen und suchte zwei Filme heraus. Er fand die Aufnahmen. »Kannst du die hier gleich mal abziehen?«
Sie machte sich an die Arbeit. »Da hinter der Tür ist ein Spiegel und dergleichen. Du siehst etwas unordentlich aus.«
Als er wiederkam, gekämmt und zugeknöpft, sagte er: »Du auch.«
Sie ging, und er fischte sich einen der Abzüge aus der Schale, besah ihn genau und erschrak. Er spannte das Bild auf die Trockenplatte, fand in Gabelbachs Regalen ein Kuvert, legte das Foto hinein, und als Fran zurückkam, fast zu ordentlich angezogen jetzt und fast zu schön wieder, sagte David: »Die Nummer vierundzwanzig von dem Film hier, die laß bitte künftig aus. Ich möchte nie so aussehen wie Fritz Andermann da; ich möchte nie so aussehn müssen, und dabei ist er viel stärker als wir alle.«
Fran nickte, und David ging zur Tür. »Wir haben Versammlung. Bleibst du hier?«
»Ja, ich arbeite, bis man mich rauswirft. So ein Labor müßte man haben. Hier kann man sich wenigstens bewegen.«
»Ja, das kann man«, sagte David.
»Aber ein paar Züge Luft kann ich vertragen«, sagte sie und kam mit auf den Korridor. Sie öffneten ein Fenster, standen nah beieinander und sahen hinaus.
Es war fast ruhig geworden, nur ein Panzerdiesel hustete irgendwo in der Nähe.
»Das spleißt mich auf«, sagte David, »wenn Fritz Andermann nicht mehr in der Moltke-Stadt ist, wo ist dann Wassilij Wassiljewitsch Spiridonow? Wenn der Moltke-Gegner in Berlin ist, könnte da nicht auch der Moltke-Freund in Berlin sein? Könnte doch sein! Könnte sein, der befehligt die Panzer da unten, könnte dann auch sein, sein Baschkire steuert eins von den Dingern und qualmt da die Bude voll.
Weitere Kostenlose Bücher