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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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war für ein paar Taler zu haben, und deshalb empfiehlt es sich, Leute mit ausgefallenen Namen genau anzusehen, es könnte ein Jude dahinterstecken. Aber seit gestern ist das einfacher, seit gestern steht in jedem Judenpaß, mit harmlosem Namen oder mit Treppengeländer, ein zusätzlicher Vorname, und der lautet bei den Judendamen Sara und bei den Judenherren Israel, und nun soll mal so einer kommen und sagen, er möchte nur einfach so, wegen Reiselust,in die versteppten Auen oder hinter den Gletscherfirn verduften, dann werden wir ihm schon eine Fahrkarte verpassen, und er wird sich wundern, wo er landet.«
    Der Mensch namens Kasten hatte seinen Vortrag beendet und schien plötzlich zu seiner großen Überraschung David zu gewahren.
    »Nanu«, rief er, »du stehst ja immer noch da, ja warum denn gleich? Laß mich überlegen: Volk, Schrifttum, Deutschtum, Ausland, Auslandspaß, Paßvermerk Israel, David – nun hab ich’s wieder: Du hast Glück gehabt, Groth, dein Glück ist, daß die Volksgenossen auf Israel verfallen sind, als sie einen für die Judenart bezeichnenden Zusatznamen ausgesucht haben; hast du ein Glück gehabt, daß sie nicht David genommen haben, dann wärest du jetzt aber schön in der Klemme, obwohl, so bist du es, jedenfalls, was mich anlangt, auch ein bißchen, denn, weißt du, in mir sträubt sich etwas, wenn ich höre, einer heißt David, aber du weißt es natürlich, denn wir kennen uns ja nun schon länger, wie lange kennen wir uns denn, sag du es mal!«
    »Wir kennen uns schon fünfeinhalb Jahre, Herr Kasten«, sagte David Groth, und es schien ihm ungeheuerlich lange zu sein, aber dann dachte er: Wenn das schon so lange ist, und dem fällt nie etwas anderes ein als mein Name, und ich hab den Namen immer noch und muß nicht mehr heulen, wenn der mir damit kommt, dann hat er die Sache verloren, oder zumindest ist es unentschieden wie im Schach, wo es auch unentschieden ist, wenn einer immer wieder den gleichen Zug macht, auf den der andere immer wieder mit dem gleichen Zug antwortet, aber wenn es zwischen Lehrer und Schüler ist, dann ist es mehr als unentschieden, dann hab ich gewonnen.
    Andere gewannen nicht gegen den deutschen Lehrer Kasten, andere verloren, und einer verlor gar sein Leben, und er verlor es auf eine Weise, die entsetzlich niederträchtig war, weil sie nicht wenige Bürger der schönen Stadt Ratzeburg zu unbändigem Lachen brachte. Der so zu Tode kam, hieß Hirsch Ascher.
    Hirsch Ascher war ein Plutokrat, denn er besaß ein Warenhaus in der Sechstausend-Seelen-Stadt Ratzeburg, und er war ein abgefeimter Feigling, denn anstatt in seinem Bette zu liegen, als man ihm in der Nacht vom neunten zum zehnten November im Jahr achtunddreißig die Haustür eintrat, saß er im Zug von Dortmund herauf und tat so, als wüßte er nicht, daß er zweiter Klasse durch die Kristallnacht fuhr. Und Hirsch Ascher war gierig und geizig, denn nachdem ihm am Morgen der Gepäckträger Böhker auf dem Bahnhof zugeflüstert hatte, es sei da am Abend etwas mit dem Ascherschen Warenhaus geschehen, ging er sofort in sein Geschäft, um seine Verluste zu zählen.
    Dort fand ihn der Sturmführer Kasten, und dort hatte der Sturmführer Kasten einen seiner seltenen Einfälle. Er ließ den Ascher in die zweite Etage seines Warenhäuschens bringen, in die Abteilung Haushaltswaren, er ließ ihn Aufstellung nehmen in der Unterabteilung Sanitäre Ausstattung, er hieß ihn sich mit dem Rücken gegen eine aufgerichtete Badewanne stellen, die Arme ausgebreitet wie der von den Juden gemordete Christ, dann befahl der Sturmführer und Lehrer und Mensch Kasten seine Männer neben eine sauber geschichtete Pyramide aus Nachtgeschirren, und dann schrie der Führer Kasten: »Feuer frei!«
    Man muß es sagen, damit die Sache nicht allzu blutrünstig klingt: Viele der emaillierten Blechtöpfe flogen an Hirsch Ascher vorbei, denn die Schützen konnten vor Lachen kaum zielen, und selbst die Treffer waren meist harmlos, denn so ein Topf ist ein vor allem rundes Ding, und daß eines davon dem Ascher mit dem Henkel einen Schneidezahn ausschlug, war beinahe blinder Zufall, über den es allerdings zweimal Streit gegeben hat, einmal noch am zehnten November achtunddreißig, weil sämtliche elf Werfer den Klasseschuß getan haben wollten, und zum zweitenmal dann im Herbst fünfundvierzig, als keiner der fünf über den Krieg gekommenen Topfschleuderer sich auch nur zu erinnern vermochte, jemals an so einem Vorkommnis beteiligt gewesen

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