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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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zu sein – die Sache wäreohnedies als eher humoristischer Bagatellfall nie wieder zur Sprache gekommen, hätte nicht der Sturmführer Kasten im Kaufhaus Ascher einen Anflug von nordischer List gehabt: Er entsann sich des stabilisierenden Kreiselprinzips und schleuderte seine Töpfe fortan, indem er sie mit Daumen und Zeigefinger am Rand hielt und sie dann aus federndem Handgelenk abschoß. Zwar verhinderte der Henkel das Zustandekommen ballistisch einwandfreier Bahnen, aber immerhin, die flatternd kreiselnden Blechgefäße trafen nach einiger Übung schon eher und wirksamer ins Ziel, und mit einem traf der Sturmführer Kasten den Warenhausbesitzer Ascher zwischen die Augen.
    Da fiel der Warenhausbesitzer Ascher um und lag blutend zwischen seinen sauberen Nachtgeschirren, was aber nicht heißt, daß er nun auch hätte sterben müssen; sterben mußte er nur, weil ihm niemand rechtzeitig die Stirnhaut nähte, in Ratzeburg nicht und in Neuengamme schon gar nicht.
    Als der Lehrer Kasten am Tag nach dem zehnten November wieder in seine Klasse kam, hatte sich die Geschichte von dem Juden, den sie mit Pißpötten bombardiert hatten, schon mehrmals herumgesprochen, und in der Schule sangen sie mit leichter und mehrfacher Verdrehung des Sachverhaltes, der zu solchem Gesang den Anlaß geliefert hatte: Abraham und Isaak schmissen sich mit Beefsteakhack!, und David Groth sang nur einmal mit, aber dann nicht mehr, und er schwieg nicht nur, weil er den Lehrer Kasten nicht leiden konnte.
    Den Geschichtslehrer Pamprin dagegen mochte er ganz gern. Der war zwar keine Leuchte, und lieben konnte man ihn schon deshalb nicht, weil er allzu offensichtlich ein Schwächling war, ein allezeit ablenkbarer Mann, dem man nur ein militärhistorisches Faktum in den Unterrichtsweg zu legen brauchte, ein geharnischtes Stichwort, und schon hatte man ihn abseits vom Aufgegebenen, aber er war wenigstens kein Knochenbrecher und Heimtücker von der Kasten-Art. Und einmal war er sogar auf seine zwergische Weise ein bißchen tapfer. Das war zwei Tage nach jener Hospitation, bei der esum das Volk im Schrifttum und wieder einmal um Davids Namen gegangen war, und damit nur einen Tag nach jenem, an dem der Kaufhausbesitzer Hirsch Ascher in der Unterabteilung Sanitäre Anlagen zu sterben begonnen hatte.
    Da nahm der Geschichtslehrer Pamprin den Schüler Groth beiseite und sagte: »Weil du dich doch so für Besonderheiten interessierst: Ich habe gestern in den Stadtannalen geblättert und bin auf die Liste der Ehrenbürger gestoßen. Liste ist schön gesagt; sie besteht aus drei Namen, und zwar sind es rückwärts gesehen folgende: Johannes Spehr; der ist neunzehnhundertzwölf Ehrenbürger geworden, vor allem wohl, weil er den Bahnbau nach Thurow in Gang gesetzt hat, und außerdem hat er auch vierzigtausend Mark für unser Krankenhaus gestiftet. Dann, vor ihm, achtzehnhundertneunzig, war es der Altreichskanzler Otto von Bismarck, das bedurfte ja weiter keiner Erklärung. Ach so, ja, und vor Bismarck, also als erster, nämlich schon achtzehnsiebenundsiebzig, ist der Stadtsekretär Richter Ehrenbürger geworden; der hatte auch den Roten-Adler-Orden, eine sehr preußische Auszeichnung. Ja, der war der erste von den dreien, von denen einer Bismarck war. Ach so, ja, und dieser unser erster Ehrenbürger, der Stadtsekretär Richter, fünfzig Jahre lang ist er das gewesen, der hieß übrigens wie du mit Vornamen, David Joachim Jakob Richter; das ist ganz hübsch, nicht wahr? – So, nun lauf, die Pause ist gleich um. – Ach so, ja, und falls du mal drauf kommen solltest: Du brauchst es nicht herumzuposaunen, woher du es weißt, sonst heißt es noch, ich erteile dir Nachhilfeunterricht, und den brauchst du ja nun nicht. Nun lauf!«
    Daß David es seinem Vater sagte, zählte nicht unter Herumposaunen, und Wilhelm Groth hielt die Mitteilung auch für keines Posaunenstoßes wert.
    »Das ist nett«, sagte er, »und irgendwann kannst du es dem Kasten mal stecken, aber keinen Mucks über Herrn Pamprin, und daran, daß du nach Herrn Blumenthal heißt, ändert es auch nichts. Ach, ist das eine beschissene Zeit, wo sie einem solche Lügen anbieten.«
    David hatte schon lange gelernt, derartigen Äußerungen seines Vaters nicht weiter nachzufragen, aber ihnen war es zu danken, daß er nicht immer sang, was die anderen sangen, nicht immer tat, was die anderen taten, nicht immer ganz so war, wie die anderen waren. Diese kurzen und seltenen Bemerkungen seines Vaters, die bitter im

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