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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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kreuzen nur die wichtigsten Verkehrsstraßen, und die müssen garantiert alle vollkommen zu
sein - bis auf diese ! Der Ventura Freeway könnte noch ein Problem sein, aber … ach, egal, darüber können wir uns Gedanken machen, wenn wir dort hinkommen.«
    Sie fuhren in die dunkle Unterführung ein.
    Auf der anderen Seite kamen sie in der Sonne heraus.
    Überall Bremslichter.
    Jeder Fahrstreifen in westlicher Richtung war verstopft.
    »Wenigstens kurz mal Hoffnung geschöpft«, murmelte Clint und zog den Wagen scharf nach links. Als er es gerade zum Mittelstreifen geschafft hatte, ergab sich eine Lücke in der Autoschlange nach Osten. Mit Vollgas preschte er hinein.
    Mary schluckte und klammerte sich ans Armaturenbrett.
    Sie kamen unbeschadet durch.
    Mary atmete hörbar auf und ließ die Arme in ihren Schoß sinken. »Das hätte nicht jeder hingekriegt«, sagte sie und hätte fast gelächelt.
    »Ich will uns nur da hinbringen, wo …«
    Er sah das Mädchen.
    Sie lief den Bürgersteig entlang, ohne sich umzusehen, ihr kurzes Haar glänzte im Sonnenlicht. Sie trug ein übergroßes pinkfarbenes T-Shirt, das ihr bis über die weißen Shorts hing. Eine ihre pinkfarbenen Socken war hinuntergerutscht.
    Sie erinnerte Clint an seine Tochter.
    Sie war nicht so groß wie Barbara, aber genauso schlank. Zwar trug sie ihr Haar viel kürzer, doch es hatte den gleichen blassblonden Farbton. Genau wie dieses Mädchen trug Barbara oft T-Shirts und Shorts zur Schule. Und beide schleppten ihre großen, sperrigen Büchertaschen
auf die gleiche Art: den Gurt über die rechte Schulter gehängt und das ganze Gewicht auf dem Rücken.
    Die Ähnlichkeit des Mädchens mit Barbara war Grund genug für Clint, den BMW abzubremsen und sie zu betrachten.
    Ein Grund zum Anhalten wäre das für ihn noch nicht gewesen.
    Aber das Mädchen lief allein durch eine Gegend, die von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht worden war. Und sie war verletzt.
    Zumindest dachte Clint, sie sei verletzt. An der linken Schulter hatte ihr T-Shirt einen rotbraunen Fleck, der nach Blut aussah.
    »Sie ist verletzt«, sagte er und steuerte auf den Straßenrand vor ihr zu.
    »Eine Menge Leute sind wahrscheinlich verletzt«, entgegnete Mary. »Was tun Sie da?«
    »Ich will nur sichergehen, dass sie in Ordnung ist.«
    »O Mann. Nein, fahren Sie weiter!«
    »Es wird nicht …«
    »Fahren Sie weiter! Sie kennen Sie doch gar nicht.«
    »Sie ist noch ein Kind.« Er hielt am Straßenrand und beobachtete sie durch die Rückscheibe. Das Mädchen ging genau so zügig weiter wie vorher, warf einen Blick in den BMW und verzog ein wenig das Gesicht.
    »Verdammt nochmal, Clint! Das ist mein Auto.«
    »Ja«, entgegnete er und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.
    »Clint!«
    »Ganz ruhig. Ich bin gleich wieder da.« Er nahm den Schlüssel an sich und stieg aus dem Wagen.

    Das Mädchen näherte sich vorsichtig, aber schien keine Angst zu haben.
    Statt ihren Weg zu kreuzen, wartete Clint vor dem BMW auf sie.
    Das Mädchen blieb auf dem Bürgersteig in Höhe der Beifahrertür stehen. Sie neigte ihren Kopf ein wenig nach links und kaute auf der linken Seite ihrer Unterlippe.
    Wenigstens sah sie Barbara im Gesicht nicht ähnlich. Sie war jünger, vielleicht dreizehn oder vierzehn. Zwar hatte sie genau wie Barbara stechend blaue Augen, aber ihr Gesicht war länger und trug eher jungenhafte Züge. Hübsch, doch ohne die augenfällige Schönheit Barbaras. Sie sah aus wie der klassische Tomboy: kurze, verstrubbelte Haare, die ihr in die Stirn hingen, Nase und Wangen von Sommersprossen gesprenkelt, ohne Lippenstift oder Make-up.
    Man hätte sie für einen Jungen halten können - wären da nicht die kleinen spitzen Brüste gewesen, die sich unter ihrem T-Shirt abzeichneten.
    Okay, es ist ein Mädchen.
    Genau in diese Art Mädchen hatte sich Clint seinerzeit immer verknallt. Selbst jetzt noch bekam er einen trockenen Hals.
    »Was gibt’s?«, fragte sie.
    »Ich weiß, man hat dich wahrscheinlich vor Fremden gewarnt«, sagte Clint, »aber du siehst aus, als könntest du Hilfe gebrauchen. Ich kann dich gern mitnehmen.«
    »Clint!«, blaffte Mary aus dem Wagen heraus.
    »Hi«, begrüßte das Mädchen sie - in einem Tonfall, als ob sie beruhigend auf einen knurrenden Hund einredete. »Wie geht es Ihnen?«

    Mary wurde davon nicht freundlicher. »Ging schon mal besser«, murmelte sie und schaute Clint an. »Wir verschwenden unsere Zeit.«
    »Du kannst gern einsteigen«, sagte Clint zu dem Mädchen.

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