Das Inferno Roman
schlimm sein.«
»Meine Familie ist auf der anderen Seite«, sagte Clint.
»Ja. Na ja, ich hoffe, es geht ihnen gut. Es sieht aber nicht so toll aus. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Sie überhaupt dorthin kommen .«
»Ich komme dorthin.«
Em beugte sich vor, ihr Kopf tauchte zwischen den Rückenlehnen auf. »Sie müssen bei der nächsten Gelegenheit rechts abbiegen. Wir müssen bald unter dem Ventura Freeway durch. Vielleicht wäre es am Laurel Canyon am besten.«
»Wie weit sind wir von dort entfernt?«, fragte Clint.
»Nur ein paar Blocks. Wenn wir erst mal am Freeway durch sind, kommt auch schon bald unser Haus.«
»Wir sind fast schon am Freeway und am Laurel Canyon?«
»Sicher.«
Er grinste Em an. »Das ist großartig. Ich muss dir nämlich sagen, dass wir uns eine ganze Zeit lang ziemlich verfahren hatten.«
»Ich kann Ihnen hier überall zeigen, wo es langgeht«, sagte Em. »Ich gehe viel spazieren.«
»Allein?«
»Klar. Wir kommen gut miteinander zurecht, ich und ich.«
»Aber es ist verdammt gefährlich für ein Mädchen allein auf der Straße.«
»Das sagen Sie mir ? Mich hat ein Backstein erwischt. Und das nicht mal während des Bebens, können Sie das
glauben? Ich bin einfach rumgelaufen, und plötzlich kam die halbe dämliche Wand auf die Idee, einzustürzen. Wenn ich nicht so flott reagiert hätte, wäre ich jetzt tot. Ein einzelner Backstein hat mich getroffen, sehen Sie?« Sie drehte sich zu ihm, damit Clint ihr Schulterblatt sehen konnte. Sie verdrehte den Kopf beim Versuch, den Schaden selbst zu begutachten, und fragte dann: »Ist der Stoff zerrissen? Können Sie das sehen?«
»Nur ein kleines Loch, zerrissen ist das T-Shirt nicht.«
»Ich frage mich, ob das Blut beim Waschen rausgeht.«
»Und was ist mit dir ?«
»Ich? Mir geht’s gut.«
»So gut kann es dir nicht gehen, wenn du Blut auf dem T-Shirt hast.«
»Aber jetzt blutet es doch nicht, oder?«
»Ich glaube nicht.«
»Ich hoffe nur, dass das Shirt wieder sauber wird. Es ist eins meiner liebsten.«
»Warst du auf dem Nachhauseweg von der Schule, als dich der Backstein getroffen hat?«
»Ja. Eigentlich hätten wir bleiben und im Schulhof abwarten sollen. Aber Warten gehört nicht gerade zu meinen Stärken, also habe ich mich dünne gemacht.«
»Du bist abgehauen?«
»Na ja, es ist ja nicht so, dass ich irgendwelche Stunden verpassen würde. Ich dachte mir, Mom würde sich Sorgen machen, und so weit ist der Fußweg von der Schule nach Hause nicht. Warum also länger abwarten?«
Clint fragte sich, ob Barbara das genauso gesehen hatte. Die High School war kaum mehr als anderthalb Kilometer von ihrem Haus entfernt. Sie hätte leicht nach Hause laufen können.
Nein, Barbara würde nicht zu Fuß gehen.
Jedenfalls nicht sofort.
Sie wusste, dass sie in der Schule warten sollte.
Du bleibst, wo du bist, hatte Clint ihr gesagt, als sie darüber gesprochen hatten, was im Falle eines größeren Erdbebens zu tun sei. Einer von uns beiden wird kommen und dich abholen. Unter keinen Umständen wirst du nach Hause laufen.
Was ist, wenn ihr mich nicht abholen könnt?, hatte sie gefragt.
Dann bleibst du in der Schule.
Sie hatten Barbara nie erlaubt, allein irgendwo herumzulaufen. Zu viele Perverse waren unterwegs. Jeden Tag konnte man in den Nachrichten davon hören, von Kindern, die zwei Blocks von zu Hause verschwanden, von aufgebrachten Eltern, von ergebnislosen Suchmissionen, von Leichenfunden. Die Leichen wurden fast immer nackt aufgefunden, es gab Anzeichen von Folter und sexuellem Missbrauch. Jungs und Mädchen. Meistens Mädchen.
Clint und Sheila wollten auf keinen Fall zulassen, dass ihrer Tochter so etwas zustieß.
Deshalb begleiteten sie sie oder brachten sie mit dem Auto an ihr Ziel.
Übervorsichtig. So nannten es einige Leute.
Sicher.
In L. A. konnte man nicht vorsichtig genug sein.
Alles tun, um sein Kind am Leben zu erhalten.
Ein hübsches Mädchen wie Em hatte Glück, dass ihr bislang nichts passiert war. Sie hatte gegen die beiden elementarsten Grundregeln verstoßen: Sie lief allein durch die Gegend und stieg zu Fremden ins Auto.
Ich sollte mich mal mit ihrer Mutter unterhalten, dachte Clint.
Klar, und dann würde sie mir wahrscheinlich sagen, dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll. Anscheinend ist sie so eine Art radikale Feministin. Ihr würde es bestimmt gut gefallen, wenn ihr ein Mann vorschreibt, wie sie ihre Tochter zu erziehen hat.
Vergiss die Mutter.
»Wenn du so viel
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