Das Inferno Roman
Heather die Nase und presste dabei einen Finger gegen ihre Lippen.
Barbara lauschte angestrengt, ob sie den Eindringling hören konnte.
Der ist wirklich ganz schön leise.
Oder sie?
Nein, dachte Barbara, eine Frau kann es nicht sein - sonst hätte Lee seine Waffe nicht gezogen.
»Heather?«
Kein Schrei, eher ein leiser Ruf, als ob die Person dort unten wüsste, wie weit seine Stimme in den umliegenden Apartments zu hören war - und nicht mehr Lärm als nötig verursachen wollte.
»Heather?«, rief er wieder.
Die Stimme kam ihnen bekannt vor.
Barbara schaute Pete an.
»Das ist Earl«, flüsterte Pete.
»Mein Gott, wo kommt der denn jetzt her?«
»Earl?«, fragte Heather. Sie sah besorgt aus. »Was macht der da unten?«
»Er ruft nach dir«, sagte Barbara mit gedämpfter Stimme.
»Mir ist er nicht begegnet.«
»Er muss dich gesehen haben«, sagte Pete.
»Großartig«, brummelte Barbara. »Ganz großartig.«
»Wer ist das?«, fragte Lee, den Blick immer noch aus dem Fenster gerichtet.
»Ein Schwachkopf«, sagte Barbara.
»Er war im Fahrschulkurs mit uns«, erklärte Pete. »Der macht immer Ärger.«
»Heather?«, rief Earl noch einmal. »Bist du da? Pete? Barbara? Wo seid ihr?«
»Direkt nach dem Beben«, erzählte Pete, »wollte er einem Typen den Wagen stehlen. Wir haben deswegen Krach gekriegt, und wir … na ja, haben ihn irgendwie umgehauen und bewusstlos zurückgelassen.«
»Tatsächlich?«, fragte Lee, der immer noch durch den Spalt spähte.
»Seid ihr da?«, rief Earl. »Kommt schon, Leute. Ich werde keinem was tun, das verspreche ich. Ich … ich fühle mich hier draußen allein nicht so wohl. Hier gehen
üble Dinge vor. Könnt ihr mich hören? Tut mir leid, dass ich Scheiße gebaut habe, okay? Ich will wieder bei euch sein. Bitte!«
Lee sah über seine Schulter Pete und Barbara an. »Mir gefällt das nicht. Er wird uns verraten. Holen wir ihn rein.«
»Sind Sie sicher, dass Sie das wollen?«, fragte Barbara.
»Auf jeden Fall will ich nicht, dass er da unten rumschreit. Pete, sag ihm, dass er hochkommen soll.«
»Wenn Sie meinen.«
»Mach schon.«
Pete schob sich an Barbara vorbei, löste die Türverriegelung, zog die Tür auf und schritt über die Schwelle. Er hob den Arm und rief leise: »Hier oben, Earl. Beeil dich.«
»Hey, hey! Mein Kumpel!«
»Leise! Gott …«
»Hey, reg dich nicht auf. Ist noch jemand da oben bei dir?«
»Stell nicht so viele Fragen. Komm einfach.«
»Ich komme, ich komme. Hetz mich nicht. Ich war schon mal besser in Form. Ich werde ja auch nicht jeden Tag vermöbelt.«
Barbara hörte, wie Earl die Treppe heraufpolterte.
»Ist Banner auch bei euch?«
»Sie ist hier.«
»Gut, gut. Ich habe sie nicht gesehen. Dich auch nicht. Dachte schon, euch sei was passiert. Und das wäre doch schade. Ich möchte nicht, dass meinen alten Kumpels was zustößt. Habt ihr mich vermisst?«
»Klar.«
»Wie seid ihr überhaupt an die Bude gekommen?«, fragte Earl. Dem Klang seiner Stimme nach hatte er die Balkonbrüstung erreicht. »Gemietet? So verdammt moralisch wie du und Banner seid, habt ihr mit Sicherheit nicht die Tür aufgebrochen .«
Pete machte sich keine Mühe zu antworten und trat aus dem Eingang.
Kurz darauf kam Earl hereinspaziert. Er grinste Barbara an. Sie spürte, wie ihr die Kinnlade runterklappte.
»Sei gegrüßt, Banner-Baby.«
»Was ist denn mit dir passiert?«, entfuhr es ihr.
»Das müsstest du doch am besten wissen.«
» Das kann doch nicht alles von uns stammen.«
Die rechte Seite von Earls Gesicht war aufgequollen und übersät von blauen Flecken - das ging wohl auf ihre und Petes Kappe. Aber in den Haaren über seinem linken Ohr klebte getrocknetes Blut. Das konnten sie nicht gewesen sein. Genauso wenig waren sie verantwortlich für seine neue Garderobe. Barbara konnte sich nicht erinnern, was er vorher getragen hatte, aber bestimmt kein weißes Hemd, das ihm bis zu den Knien reichte, blaue Nadelstreifenhosen, die aussahen, als ob sie zum Businessanzug eines übergewichtigen Geschäftsmanns gehörten, und spiegelblank gewienerte schwarze Lederschuhe.
Jemand, wahrscheinlich Earl selbst, hatte die Ärmel des Hemds abgerissen, so dass die Arme bis zu den Schultern unbedeckt waren. Das Hemd stand offen und gab den Blick frei auf verschwitzte Haut voller Kratzer und Blessuren. Earls riesige Hosen wurden von einer um die Hüfte gebundenen gestreiften Krawatte gehalten. Die Hosenaufschläge waren hochgekrempelt, seine Füße steckten
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