Das Inferno
grausig«, begann Paula stockend. Vor ihrem geistigen Auge sah sie wieder den riesenhaften Mann im Tarnanzug, der seine Waffe direkt auf sie richtete. Und dann erzählte sie Tweed alles. Er hörte ihr zu, schürzte die Lippen und stellte sich das, was sie ihm erzählte, bildlich vor. Als sie am Ende angelangt war, fing sie an zu zittern und hatte Tränen in den Augen. Sie warf die Arme um Tweed, der sie fest an sich drückte und ihr sanft über den Kopf streichelte.
»Tut mir Leid, dass ich die Beherrschung verloren habe«, schluchzte sie. »Sie haben bestimmt andere Sorgen, als mich zu trösten. Schließlich tragen Sie ja die ganze Verantwortung, und das muss furchtbar anstrengend für Sie sein. Ich weiß nicht, wie Sie das alles aushalten.«
Tweed nahm sein Taschentuch zur Hand und tupfte Paula damit vorsichtig die Augen ab.
»Weinen Sie sich ruhig aus. Das ist eine Reaktion auf die schrecklichen Dinge, die in der Sandgrube geschehen sind.
Auch ich leide darunter, aber ich darf es den anderen nicht zeigen. Das wäre nicht gut für ihre Kampfmoral.«
Nachdem Tweed ihr die Tränen getrocknet hatte, blieb Paula eine Weile still stehen und spürte, wie seine Blicke auf ihr ruhten. Ihr Zittern war verschwunden. Sie gab Tweed einen Kuss auf die Wange und trat einen Schritt zurück.
»Danke«, sagte sie mit ihrer normalen Stimme. »Danke für Ihr Verständnis.«
In diesem Moment schrillte Tweeds Mobiltelefon. Er schnitt eine Grimasse und zog es aus der Hosentasche.
»Wer ist dran?«
»Monica. Gott sei Dank komme ich endlich zu Ihnen durch.
Ich probiere es schon seit Stunden, weil ich Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen habe. Es ist mir nämlich gelungen, die Botschaften zu dekodieren, die übers Internet geschickt wurden.
Sie kommen aus Seattle und besagen, dass sämtliche Kräfte in den westlichen Ländern darauf vorbereitet sind, jederzeit das Chaos ausbrechen zu lassen. Wo es zuerst losgehen wird, konnte ich leider nicht herausfinden, aber dafür, dass die lokalen Gruppen darauf warten, dass man ihnen übers Internet die genaue Zeit zum Losschlagen mitteilt. Ich befürchte, dass das innerhalb der nächsten zwei Tage geschehen wird. Der Mann in Seattle heißt übrigens Pferdeschwanz. Sie müssen ihn aufhalten, bevor es zu spät ist.«
»Woher wissen Sie eigentlich, dass er in Seattle sitzt?«
»Weil er seine verschlüsselten Befehle, die er normalerweise mit ›Pferdeschwanz‹ unterschreibt, einmal aus Versehen mit ›Seattle‹ signiert hat. Vielleicht war er müde.«
»Sie sind ja eine richtige Internet-Expertin geworden.«
»Ach, ich surfe eben gern, und da kommt man mit der Zeit einfach dahinter, wie alles funktioniert. Howard hat mir übrigens seine volle Unterstützung zugesagt und ist damit einverstanden, dass ich in Ihrer Abwesenheit hier den Laden schmeiße.«
Howard war der Direktor des SIS.
»Sagen Sie mir eines, Monica. Wann haben Sie zum letzten Mal etwas Vernünftiges gegessen?«
»Wer muss denn schon essen?«
»Wir alle müssen das. Und Sie auch…«
Auf einmal war die Verbindung unterbrochen. Tweed steckte sein Handy ein und erzählte Paula, die sich jetzt wieder völlig unter Kontrolle hatte, was Monica ihm mitgeteilt hatte.
»Wir können wohl schlecht etwas in Seattle unternehmen, oder?«
»Stimmt, das können wir nicht. Aber wir können so schnell wie möglich nach Travemünde fahren und unsere Verabredung einhalten. Gehen wir zurück zum Wagen.«
Paula fing an zu laufen, aber Tweed packte sie am Arm.
»Nicht bei dieser Hitze. Gehen wir ganz gemütlich zurück.
Haben Sie nicht bemerkt, dass es noch heißer geworden ist? Und wenn wir im Wagen sind, erzählen Sie den anderen bitte nicht, was Monica berichtet hat.«
»Sie haben Recht.«
Im
Haus Inselende
auf Sylt fand im schalldichten Konferenzraum ein weiteres Treffen der vier Politiker statt.
Thunder hatte den Vorsitz.
»Ich habe mich mit Seattle in Verbindung gesetzt, meine Herren«, sagte er mit seiner klaren, dominanten Stimme. »Ich freue mich, Ihnen berichten zu können, das wir kurz vor dem Ziel all unserer Bemühungen stehen«, fuhr er selbstgefällig fort.
»In genau zwölf Stunden werden in verschlüsselten Botschaften allen unseren Einheiten die genauen Zeiten zum Losschlagen mitgeteilt.«
»Hatten wir nicht ausgemacht, dass das später erfolgen wird?«, wandte der deutsche Außenminister ein. »Schließlich sollten wir alle wieder zu Hause sein, bevor die Welt in Flammen aufgeht.«
»Das stimmt nicht ganz«,
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