Das Inferno
erwiderte Thunder mit einem liebenswürdigen Lächeln. »Wir wollten auf dem
Nachhauseweg
sein, wenn es losgeht. Damit geben wir dem Chaos etwas Zeit, sich richtig schön auszubreiten und unsere Bevölkerungen in Angst und Schrecken zu versetzen, bevor wir mit unserem energischen Durchgreifen der Panik ein Ende setzen. Nur so sieht man in uns die starken Männer, die es in solchen Zeiten braucht.«
»Klingt überzeugend«, sagte der amerikanische Außenminister.
»Wann dürfen wir also dieses Gefängnis verlassen?«, fragte der französische Premier.
»In ein paar Stunden fliegen wir mit dem Hubschrauber zurück nach Hamburg. Dort warten wir dann ab, bis die Situation in unseren Heimatländern genügend eskaliert ist und wir als die Retter zurückkehren können.«
»Sieht ganz so aus, als hätten Sie sich den Zeitplan exakt ausgearbeitet«, lobte der deutsche Außenminister. »Von Hamburg aus bin ich im Nu in Berlin.«
»Aber tauchen Sie nicht zu früh dort auf«, mahnte Thunder.
»Niemand von uns kann voraussagen, wie lange es dauern wird, bis die Bevölkerung völlig demoralisiert ist. Und davon hängt es nun mal ab, ob unsere Regierungen zusammenbrechen oder nicht.«
»Können Sie garantieren, dass Seattle die Botschaften rechtzeitig versendet?«, wollte der amerikanische Außenminister wissen.
»Seattle ist völlig sicher«, sagte Thunder mit fester Stimme.
»Deshalb habe ich ja nicht einmal Ihnen mitgeteilt, wo sich das Gebäude befindet, von dem aus die Botschaften verschickt werden. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich vorschlagen, dass wir uns jetzt in den Speisesaal begeben und ein Glas auf unseren Erfolg trinken.«
Mit diesen Worten stand Thunder auf. Nichts konnte er jetzt weniger gebrauchen als eine Diskussion.
Vom Pilotensitz des kleinen Flugzeugs aus hatte Barton auf einmal wieder den blauen Mercedes entdeckt, der mit konstanter Geschwindigkeit dieselbe Straße entlangfuhr, auf der er schon vorher gewesen war.
»Da sind sie«, platzte er heraus. »Wo zum Teufel haben die bloß die ganze Zeit gesteckt?«
»Keine Ahnung. Aber jetzt haben wir sie ja wieder gefunden«, sagte Panko. »Das ist alles, was zählt. Wo glaubst du denn, fahren sie hin?«
»Sie fahren gerade an Lübeck vorbei«, sagte Barton nach einem Blick auf die Karte. »Ich schätze mal, die wollen nach Travemünde. Jedenfalls führt dort die Straße hin, auf der sie sich gerade befinden.«
Barton überlegte hin und her, ob er Thunder anrufen sollte, Oskar Vernon hatte er nämlich längst als unerreichbar abgeschrieben. Schließlich fällte er die Entscheidung, den Minister zu informieren.
Thunder hatte es sich gerade in seiner Suite auf dem Sofa bequem gemacht und erholte sich vom vielen Reden, Diskutieren und Beschwören, mit dem er während der langen Sitzung die anderen auf seine Linie eingeschworen hatte. Als sein Handy klingelte, fluchte er leise und ging ran.
»Ja?«
»Hier spricht Barton, Sir. Wir verfolgen Tweeds Mercedes noch immer aus der Luft und…«
»Wie bitte?«
Thunder war erschüttert. Mehrmals hatte er sich schon nach Miller erkundigt, der eigentlich seit Stunden hätte zurück sein müssen. Insgeheim hatte er schon geahnt, dass etwas schief gegangen sein musste, aber trotzdem traf ihn die Nachricht, dass Tweed noch am Leben war, wie ein Schock. Ausgerechnet jetzt, wo er so kurz vor seinem Ziel war, tauchte der einzige Mann wieder auf, der ihm noch einen Knüppel zwischen die Beine werfen konnte.
»Wo ist Tweed jetzt?«
»Er fährt gerade an Lübeck vorbei. Meiner Meinung nach will er nach Travemünde.«
Lübeck? Travemünde? Thunder war entsetzt. Wie hatte Tweed nur so weit kommen können? Und warum fuhr er ausgerechnet nach Travemünde? Dafür musste es doch einen Grund geben.
»Sie müssen Tweed und seine Leute in Travemünde eliminieren«, befahl er mit harter, angespannter Stimme.
»Verstanden. Aber es gibt da ein Problem. Travemünde hat keinen Flugplatz. Wir müssen in Lübeck landen, was Tweed einen Vorsprung verschaffen dürfte…«
»Dann denken Sie sich was aus, verdammt noch mal. Wenn Sie Kontakt mit dem Flugplatz in Lübeck aufnehmen, dann erzählen sie denen, dass Sie einen Wagen brauchen, der am Rollfeld auf Sie wartet. Sagen Sie einfach, Sie hätten einen wichtigen Politiker an Bord. Und halten Sie mich weiter auf dem Laufenden…«
Thunder legte auf und warf das Handy ans andere Ende der Couch. Dann trank er seinen Brandy in einem Schluck aus und goss sich gleich darauf
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