Das Inferno
noch einen ein. Er überlegte, ob er die anderen über diese Entwicklung informieren sollte, entschied sich aber dann dagegen. Thunder leerte sein Glas abermals, und auf einmal hatte er eine düstere Vorahnung. Etwas würde seinen genialen Plan in letzter Minute zum Scheitern bringen. Und dieses Etwas hieß Tweed.
39
Kaum waren Tweed und seine Leute in Travemünde, stellten sie den Wagen in der Nähe des Bahnhofs ab. Zwar war dort Halteverbot, aber Tweed legte eine alte Bescheinigung, die ihm Otto Kuhlmann einmal gegeben hatte, hinter die Windschutzscheibe. Darauf wurde amtlich bestätigt, dass dieser Wagen einem Notarzt im Einsatz gehörte. Solche Bescheinigungen benutzten verdeckte Ermittler der deutschen Behörden gern, wenn sie sichergehen wollten, dass ihre Zivilfahrzeuge nicht abgeschleppt wurden. Butler stellte sein Motorrad hinter dem Mercedes ab.
Auf einem wenig frequentierten Gehweg erreichten sie die Innenstadt von Travemünde. Dabei kamen sie an einem aus Ziegeln erbauten Polizeirevier vorbei, das aussah, als ob es schon seit Jahrhunderten dort stand. Auch hier war niemand zu sehen. Erst als sie das Ufer der Trave erreicht hatten, kamen sie unter Menschen, und das Gefühl der Einsamkeit, das sie bei ihrer Fahrt über Land die ganze Zeit begleitet hatte, verflüchtigte sich.
Es war noch vor Beginn der eigentlichen Ferien, und Travemünde wurde hauptsächlich von einem begüterten Publikum besucht, das die beliebte Stadt noch vor dem Ansturm der Massen besuchen wollte.
»Die wollen mit dem gemeinen Volk wohl nichts zu tun haben«, sagte Newman, nachdem Tweed den anderen diesen Umstand erklärt hatte.
Paula genoss das geschäftige Treiben, während sie mit Tweed und Lisa die Trave entlangschlenderte. Der Fluss war hier etwa halb so breit wie die Themse in Westminster. In kleinen Jachthäfen lagen Motorboote und Luxusjachten, die bestimmt ein Vermögen gekostet hatten. Tweed blieb stehen und teilte sein Team in mehrere Gruppen auf.
»Wenn wir alle im Pulk laufen, ist das zu auffällig«, sagte er.
»Harry und Pete, Sie sehen sich flussaufwärts um, bis Sie den Fischereihafen erreichen. Dann kommen Sie zurück zu dem Restaurant, das ich Ihnen vorhin im Wagen beschrieben habe.
Wir warten dort auf Sie. Newman, Sie bummeln durch die Innenstadt und halten die Augen offen, und ich gehe mit Paula und Lisa direkt zum Restaurant. Mal sehen, ob auch wirklich jemand zu unserer Verabredung erscheint.«
»Ich komme mit«, sagte Marier bestimmt. »Ich folge Ihnen in einiger Entfernung und halte Ihnen den Rücken frei.«
Auch wenn die Innenstadt nicht gerade überlaufen war, sah man doch viele Deutsche in Sommerkleidung, die einen Schaufensterbummel machten oder in den Straßencafes saßen.
Es herrschte eine heitere, fast fröhliche Atmosphäre. An der Uferpromenade gab es viele Geschäfte, Cafes und Restaurants, wo die Gäste unter gestreiften Markisen, die willkommenen Schatten spendeten, im Freien sitzen konnten. Die meisten Gebäude hier waren alt und nicht höher als drei oder vier Stockwerke.
Tweed blieb stehen und deutete auf eine bewaldete Insel mitten in der Trave, auf die gerade eine mit Autos beladene Fähre zusteuerte.
»Das ist die Insel Priwall«, erklärte er. »Ich habe einmal gelesen, dass am Ende des Zweiten Weltkriegs eine britische Panzereinheit dort gelandet und in der Mitte der Insel auf eine sowjetische Panzertruppe gestoßen ist, die aus der entgegengesetzten Richtung kam. Die Russen beanspruchten die ganze Insel für sich, aber der britische Kommandeur blieb hart und ließ sich nicht vertreiben. Also einigte man sich auf einen Kompromisse, und die Briten besetzten die eine Hälfte von Priwall, die Sowjets die andere. Inzwischen ist auf der Insel ziemlich viel gebaut worden, wie Sie an den weißen Wohnblocks sehen können.«
»Mir hat Tønder zwar besser gefallen«, sagte Paula. »Aber diese Stadt hat auch etwas. Hier ist so viel Leben. Das mag ich.«
»Da vorn ist übrigens das Restaurant, von dem Mrs. France gesprochen hat. Gehen wir hinein, und harren wir der Dinge, die da kommen mögen.«
Das Restaurant sah ziemlich vornehm aus und verfügte über eine von mächtigen Sonnenschirmen beschattete Terrasse, von der aus man eine n herrlichen Blick auf den Fluss hatte. Marier kam von hinten heran und wandte sich an Tweed.
»Mir wäre es lieber, wenn Sie nicht auf der Terrasse Platz nehmen würden«, sagte er. »Da sind sie zu sehr auf dem Präsentierteller. Nehmen sie lieber einen
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