Das Inferno
Prüfungen unterziehen. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, weshalb die ausgerechnet auf mich gekommen sind.«
»Haben Sie schon mit Barford gesprochen?«
»Ab und zu auf den Treffen des ICS. Er gibt sich gerne als alter Kommisskopf und erinnert einen ständig daran, dass er früher mal General war, aber dahinter steckt sehr viel mehr.
Barford weiß nicht nur genau darüber Bescheid, was in der Weltpolitik aktuell gespielt wird, er verfügt auch über hochkarätige Kontakte in England, dem restlichen Europa und den Vereinigten Staaten. Angeblich soll man ihn sogar bei internationalen Krisen gern um Rat fragen. Vielleicht reist er deshalb ja auch ständig in der Welt herum.
»Soll ich mal runtergehen und schauen, ob die Luft rein ist?«, fragte Newman.
»Das wäre nett von Ihnen, Bob«, sagte Tweed.
Kurze Zeit später kam Newman wieder zurück und reckte den Daumen nach oben. »Er ist fort. Vielleicht sitzt er beim Mittagessen.«
»Dann hole ich jetzt die Papiere.«
»Keith«, sagte Paula nachdenklich, nachdem Tweed die Suite verlassen hatte, »ich erinnere mich gerade daran, wie Tweed und ich uns mit Gavin Thunder in dessen Club in der Pall Mall getroffen haben. Als wir nach dem Gespräch die Bibliothek verließen, habe ich mich noch einmal umgedreht. Thunder zog sich seinen Mantel an und schlug dabei das Revers seines Jacketts um, sodass ich dessen Innenseite sehen konnte. Er trug dort eine Anstecknadel aus Metall, die ich damals für einen griechischen Buchstaben gehalten habe, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich glaube eher, dass es der Buchstabe ›E‹ war, aber spiegelverkehrt…«
»Könnten Sie mir diesen Buchstaben vielleicht aufzeichnen?«, sagte Kent. Auf einmal wirkte er nicht mehr so locker und entspannt wie sonst. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck beugte er sich zusammen mit Newman über den Tisch, wo Paula auf einem Block das Symbol zeichnete.
»Großer Gott!«, rief Kent daraufhin aus. »Er ist Mitglied im Elite Club…«
Kurze Zeit später kam Tweed zurück und trug einen großen Umschlag bei sich, in dem sich Keflers Papiere und das ledergebundene Notizbuch befanden, das Mark Wendover in der Zürcher Kredit gestohlen hatte. Sofort fiel ihm die merkwürdige Stimmung in der Suite auf. Paula machte ein verwirrtes Gesicht, Newman hob die Hände zum Zeichen, dass er überhaupt nichts mehr verstand, und Kent blickte geradezu erschüttert drein.
»Was ist denn passiert?«, fragte Tweed und setzte sich Kent gegenüber. »Sie sehen alle aus, als wäre gerade eine Bombe explodiert.«
»In gewisser Weise stimmt das auch. Paula, wiederholen Sie doch bitte für Tweed, was Sie mir gerade erzählt haben.«
Paula tat, worum Kent sie gebeten hatte, und erklärte, warum sie Tweed nicht gleich von ihrer Beobachtung erzählt hatte. Sie hatte es schlicht vergessen, weil sie nach dem Besuch in Thunders Club ja ganz schnell zu ihrer Verabredung mit Aubrey ins Martino’s hatte eilen müssen. Dann zeigte sie Tweed das Symbol, das sie auf den Notizblock gezeichnet hatte, und sagte ihm, wie Kent darauf reagiert hatte.
»Was soll das bedeuten?«, sagte Tweed. »Und was ist dieser Elite Club? Ich habe noch nie von ihm gehört.«
»Das geht den meisten Leuten so«, sagte Kent grimmig.
»Auch ich habe nur aus Zufall davon erfahren – mir hat es jemand erzählt, der zuviel getrunken hatte. Es war übrigens der kürzlich verstorbene Jeremy Mordaunt.«
»Möchten Sie ein Glas Wasser, Keith?«, fragte Paula.
»Irgendwie sind Sie ein wenig blass um die Nase geworden.«
»Ja, bitte.«
Sie warteten, bis Kent sein Wasser getrunken hatte und Paula das Glas zum Nachfüllen zurückreichte.
»Diese Sache ist brandgefährlich«, sagte er.
»Warum?«, fragte Tweed. »Was
ist
denn nun dieser Elite Club?«
»Ein ganz kleiner exklusiver Verein«, sagte Kent. Ihm zitterte die Hand, als er das Glas auf den Tisch stellte. »Er dürfte höchstens vier oder fünf Mitglieder haben – sorgfältig ausgewählt unter den mächtigsten Männern der Welt. Es sind üble Genossen, die vor nichts zurückschrecken, was der Durchsetzung ihrer Ziele dient. Wenn sie wüssten, was in diesem Raum eben gesprochen wurde, wäre vierundzwanzig Stunden später niemand von uns mehr am Leben.«
Alle in der Suite sagten eine Weile lang kein Wort. Kent lehnte mit einer Handbewegung das zweite Glas Champagner ab, das Paula ihm einschenken wollte. Mit den Fingern trommelte er nervös auf den Armlehnen seines Sessels herum.
Tweed
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