Das Inferno
gar keinen Fall. Jeder Fehler, den Sie bei ihm machen, kann tödlich sein…«
Tweed legte auf und erzählte Paula, was Kuhlmann gesagt hatte. Paula machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Ob Vernon wohl dieser Rhinozeros ist?«
»Gehen Sie zu Newman und erklären Sie ihm den Sachverhalt«, sagte Tweed, anstatt ihre Frage zu beantworten.
»Wenn Vernon noch immer im Hotel Renaissance wohnt, schafft Harry Butler es vielleicht, ein Foto von ihm zu machen.
Dafür braucht er dann natürlich Ihre Kamera. Newman soll sie ihm bringen. Sie selber bleiben bitte in Newmans Zimmer, bis ich mich bei Ihnen melde. Lisa müsste jeden Augenblick hier sein.«
»Nehmen Sie sich vor Lisa in Acht. Die ist verdammt clever.«
»Vielleicht ist sie sogar zu clever, so was soll ja vorkommen…«
Zwei Minuten nachdem Paula gegangen war, stand Lisa vor der Tür. Tweed sah auf die Uhr. Sie war überpünktlich. Tweed bot ihr einen Sitzplatz und ein Glas Champagner an.
»Gern«, sagte Lisa mit einem verbindlichen Lächeln. »Aber nur halb voll, bitte. Es gibt ja nichts Unangenehmeres als eine Frau, die zuviel getrunken hat.«
Lisa trug dieselbe Kleidung wie zuvor, hatte sich aber die Haare hochgesteckt und ein grünes Tuch um die Stirn gebunden.
Außerdem hatte sie Lippenstift und Mascara aufgelegt. Sie nahm in einem der Sessel Platz und streckte ihre nackten Arme auf den Lehnen aus. Newman hätte sie vermutlich sehr sexy gefunden, aber Tweed, der schlechter Laune war, beachtete sie kaum.
»Lisa, ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagte er, nachdem er sich ihr gegenüber gesetzt hatte. »Und zwar über Ihren persönlichen Hintergrund. Wenn Sie bei uns bleiben wollen, sollten Sie mir die Fragen beantworten.«
»Nur zu.«
»Wo sind Sie zur Schule gegangen?«
»Ich hatte ein Stipendium auf der Roedean, aber die war mir für meinen Geschmack zu hochgestochen, obwohl ich dort gute Freundinnen gefunden habe. Fürs Studium habe ich dann wieder ein Stipendium bekommen, und zwar in Oxford…«
»Was haben Sie studiert?«
»Französisch und Deutsch. Ich war dort eine Art Außenseiterin und hatte nur wenig Kontakt mit meinen Kommilitonen, weil ich mich voll und ganz auf mein Studium konzentriert habe, während viele andere nur Unsinn gemacht haben. Ich war in beiden Fächern die beste meines Jahrgangs.«
»Beeindruckend«, sagte Tweed und lächelte. Er gab sich absichtlich freundlicher, um Lisas Vertrauen zu gewinnen. »Und was haben Sie nach dem Studium gemacht?«
»Da war ich Stewardess, weil ich die Welt sehen wollte. Aber wenn man sich in diesem Job an die Regeln hält, sieht man so gut wie nichts. So habe ich auch ein paar Mal meinen Rückflug verpasst, weil ich interessante Städte erkunden wollte. New York, Singapur, und sogar die, in der wir gerade sind – Hamburg. Eine Zeit lang hat mir die Fluggesellschaft das durchgehen lassen, weil ich verdammt gut in meinen Job war, aber nach zwei Jahren hat sie mich dann doch gefeuert.«
»Und danach?«
»Danach bin ich nach New York, wo ich ein paar Jahre lang bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet habe.«
»Als was?«
»Ich habe Angestellte von Firmen überwacht, die der Unterschlagung verdächtigt wurden. Dazu musste ich eine ganze Menge über Buchhaltung und Ähnliches lernen – das habe ich mir im Abendstudium beigebracht.«
»Kannten Sie eigentlich Mark Wendover schon, bevor Sie ihm in London vorgestellt wurden?«
»Wie bitte?«
»Ich habe Sie gefragt, ob Sie Mark Wendover schon kannten, bevor Sie ihn in meinem Büro in der Park Crescent sahen.«
»Nein.«
Tweed war sich ziemlich sicher, dass Lisa, wäre sie an einen Lügendetektor angeschlossen gewesen, dessen Nadel mit ihrer Antwort zum Ausschlag gebracht hätte. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, hatte er das Gefühl, dass sie ihn angelogen hatte, aber er ließ sich nichts anmerken und wechselte das Thema seiner Fragen.
»Was hat Ihr Vater beruflich gemacht?«
»Er war beim Intelligence Corps. Kurz nachdem man ihn nach Zypern versetzt hatte, wurde er von einem Heckenschützen aus dem Hinterhalt angeschossen. Meine Mutter flog hin, um ihn nach Hause zu bringen, aber auf dem Rückflug stürzte das Flugzeug ab, und mein Vater starb. Meine Mutter hat den Absturz überlebt und später wieder geheiratet.«
»Der Tod Ihres Vaters muss ein schwerer Schock für Sie gewesen sein.«
»Ja.« Lisa hielt inne. »Aber zu dieser Zeit habe ich schon als Stewardess gearbeitet. Ich war einigermaßen reif, hatte etwas von der Welt
Weitere Kostenlose Bücher