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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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höre.«
    »Außerdem hab ich gerade meinen Job bei Glamorex verloren. Glaube ich jedenfalls. Na, mal sehen.«
    Howard reichte ihr einen Kaffeebecher, auf dem stand: Frag dich nichts, was du nicht schon weisst.
    »Ich störe dich doch nicht bei der Arbeit, oder?«, fragte sie.
    »Nein, du störst doch nie. Ich überarbeite nur gerade meinen neuesten Artikel. >Wie das Eindringen der Sarcophagidae-Larve zur Feststellung des Todeszeitpunkts herangezogen werden kann.< Erst lesen, dann essen. Außer man will sowieso abnehmen. Viel zu tun?«
    »Ziemlich. Menschen bringen sich gegenseitig um und jemand muss die Sauerei ja wegmachen.«
    »Am Telefon hast du gesagt, es gäbe da etwas Interessantes, das du mir zeigen wolltest.«
    »Tja, ich weiß nicht. Vielleicht ist es gar nichts. Ich hab so was nur noch nie gesehen.«
    Damit übergab sie Howard eine braune Papiertüte.
    Er schob die Tastatur seines Computers zur Seite und schüttete den Inhalt vorsichtig auf die Schreibtischplatte: Feigenblätterreste und eine schwarze Raupe. Die rollte einmal um die eigene Achse und schob sich dann langsam über ein Blatt Millimeterpapier.
    Howard ging mit dem Gesicht bis auf wenige Zentimeter an die Raupe heran, nahm dann eine Lesebrille aus der Schublade, setzte sie sich auf die Nasenspitze und betrachtete das Insekt aus noch kürzerer Distanz.
    »Erst wollte ich es gar nicht herbringen, weißt du. Es erschien mir nicht mehr wichtig, nachdem Ray ins Krankenhaus gekommen ist und so. Aber dann dachte ich, bevor es stirbt…«
    »Natürlich, klar. Ich bin froh, dass du’s doch geschafft hast. Wo hast du sie doch gleich gefunden?«
    »An einem Feigenbaum. Es waren so sechs bis sieben. Wahrscheinlich hast du im Fernsehen was über die Geschichte gesehen. Der Typ auf der De Longpre, der seine drei Kinder und sich selbst erschossen hat. Der Feigenbaum stand auf einem Fensterbrett im Kinderzimmer.«
    Howard stupste die Raupe mit der Fingerspitze an, damit sie nicht unter den Computer kroch. »Na, du bist ja ein außergewöhnlicher kleiner Kerl.«
    »Vor ein paar Tagen hab ich so was schwarzes Falterartiges auch an einem anderen Tatort gefunden. Und als ich das da sah, dachte ich, das ist irgendwie seltsam. Keine Ahnung, ob das was mit den Fällen zu tun hat.«
    »Du hast mir nicht zufällig auch das schwarze Falterartige mitgebracht?«
    Bonnie schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht einmal sagen, ob es so ähnlich aussah wie das hier. Es kam mir eben nur irgendwie seltsam vor.«
    »Es ist in der Tat seltsam, Bonnie. Sogar sehr seltsam. Der kleine Kerl sieht aus wie Parnassius mnemonsyne, der Apollofalter. Ein großer Schmetterling. Er hat weiße Flügel mit schwarzen Punkten. Das dunkle Exemplar hier auf dem Tisch ist ein Weibchen. Bei den Männchen werden die Flügel im Laufe des Lebens fast durchsichtig.
    Das eigentlich Seltsame ist, dass Parnassius mnemonsyne nur an zwei Orten auf der Welt vorkommt: In den europäischen Alpen und in der Region Chichimec im Norden Mexikos. Warum diese Art ausgerechnet nur in diesen weit voneinander entfernten Gebieten lebt, weiß kein Mensch. Aber es ist die gleiche Art, daran besteht kein Zweifel. Ich hab ein paar Exemplare im Labor. Willst du sie dir anschauen?«
    »Nein danke«, sagte Bonnie. »Ich will nur wissen, warum die Viecher an den Tatorten herumkrabbeln.«
    »Ich weiß auch nicht. Allerdings ranken sich in der alten Kultur der Azteken ein paar gruselige Legenden um den Apollofalter. Natürlich purer Aberglaube.«
    »Was für Legenden?«
    Howard Jacobson sah ihr in die Augen. »Du glaubst doch nicht an solchen Quatsch, oder? Du glaubst doch wohl nicht, dass diese Raupen etwas mit den Morden zu tun haben?«
    »Keine Ahnung. Nein, eigentlich nicht. Ich bin nur so betroffen und kann einfach nicht begreifen, wie ein Vater seinen Kindern so etwas antun kann?«
    »Tja, ich bin auch kein Psychiater. Ich bin nur Käfer-Kid, wie du weißt.«
    »Was für Legenden?«
    »Bonnie. Das ist finsterster Aberglaube. Vergiss es.«
    »Was für Legenden?«
    »Na gut: Dieser Legende nach nimmt die Dämonin Itzpapalotl am Tage die Gestalt eines weißen Schmetterlings an, eben dieses Apollofalters. Unter den Azteken war Itzpapalotl der gefürchtetste aller Dämonen, eine Kreuzung aus Insekt und Monster. Die Ränder ihres Flügels bestanden aus Obsidianklingen und ihre Zunge war ein Opfermesser.
    »Die Dämonin konnte sich verkleiden, dann trug sie ein Gewand, ein naualli, das sie wie einen normalen Schmetterling

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