Das Insekt
war mit dem Staubsaugen fertig und begann gerade damit, die Wände zu reinigen. Der weiche und poröse Gips machte es schwer, die Blutspuren ganz zu entfernen. Ein Blutspritzer ging quer über einen Sessel, also nahm Bonnie einen Speziaireiniger auf Enzymbasis, befeuchtete ein Baumwolltuch damit und tupfte damit vorsichtig auf den Fleck. Sie nahm auch das Sitzkissen vom Sessel und legte es zur Seite. Und unter dem Kissen waren die glänzenden braunen Körper, die gleichen Kokons, die sie schon im Haus der Familie Glass gesehen hatte. Sie nahm einen in die Hand und hielt ihn gegen das Licht. Der Körper war durchsichtig. Sie konnte die Umrisse des Insekts im Innern erkennen.
In der dunklen Ritze des Sessels bewegte sich etwas. Instinktiv schlug sie mit dem Tuch danach, sodass es zuckend auf den Teppich fiel und sich zusammenkrümmte. Es war die Raupe des Apollofalters, ein Exemplar der Art, die sie zu Howard Jacobson ins Labor gebracht hatte.
In diesem Raum war doch Maria Carranza getötet worden. Ein eindeutig mexikanischer Name, dachte Bonnie.
Sie steckte drei der Kokons und die Raupe in eine kleine Plastiktüte und verschloss sie.
»Was hast du da?«, fragte Esmeralda.
»Eine Art Raupe. Dieselbe haben wir bei den Goodmans gefunden, erinnerst du dich?«
»Was machst du mit denen? Willst du die behalten, oder was?«
»Ich hab ein Exemplar zu Professor Jacobson ins Universitätslabor gebracht. Er hat gesagt, die kämen aus Mexiko.«
Esmeralda machte einen Schritt rückwärts und bekreuzigte sich zweimal.
»Wovor hast du Angst?«
»Das ist nicht gut. Du solltest sie töten. Ich hole schnell das Spray.«
»Du weißt, was das für welche sind, stimmt’s? Professor Jacobson hat gesagt, es sei eine Art, die man Apollofalter nennt.«
»Du solltest sie töten.«
»Warum?«
»Einfach weil’s Ungeziefer ist.«
»Ich weiß nichts von Ungeziefer. Ich weiß nur, dass Professor Jacobson erzählt hat, dass man in Mexiko an eine Göttin namens Opsapopalottel oder so ähnlich glaubt, die sich in einen solchen Falter verwandelt.«
»Sprich den Namen nicht aus«, sagte Esmeralda und bekreuzigte sich wieder und wieder.
»Esmeralda, wir haben diese Viecher jetzt an drei verschiedenen Tatorten gefunden. Du fürchtest dich vor ihnen und ich möchte wissen, warum.«
»Sprich den Namen nicht aus«, schrie Esmeralda. »Ich arbeite nicht mehr für dich! Du darfst den Namen nicht aussprechen!«
»Jetzt beruhige dich doch, Esmeralda. Um Himmels willen! Das sind nur ein paar Raupen. Ich will nur wissen, wo die Verbindung ist.«
Esmeralda hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und stand stumm und regungslos da.
Bonnie starrte auf den rechteckigen Fleck auf dem Teppich und hatte das erste Mal das Gefühl, seinem Anblick gewachsen zu sein. Sie musste herausfinden, warum David Hinsey seine Freundin Maria Carranza umgebracht hatte, warum Aaron Goodman seine Kinder erschossen hatte, warum das Leben der Glasses in einem Blutbad geendet hatte. Wenn sie das alles verstand, wenn sie all diese schrecklichen Dinge um sich herum verstand, konnte sie vielleicht auch ihr eigenes Leben verstehen.
Esmeralda ließ die Hände sinken. »Sprich mit Juan Maderas.«
»Wer ist Juan Maderas?«
»Ein Freund meines Vaters. Er kennt die ganzen alten Geschichten. Und er weiß alles über die Falter.«
»Und wie finde ich diesen Juan Maderas?«
»Ruf mich um drei zu Hause an. Ich spreche mit meinem Vater, und der arrangiert ein Treffen für dich.«
»Und dieser Juan Maderas weiß also alles über diese… Opsapopalottel oder wie die heißt?«
»Sprich den Namen nicht aus! Niemals! Auch nicht im Spaß!«
Bonnie nahm Esmeralda in den Arm und drückte sie an sich, »‘tschuldige Es, ich wollte dir keine Angst machen. Du bist doch meine Freundin, das weißt du doch. Komm schon, ist alles wieder gut? Wir finden schon noch heraus, was das mit diesen Raupen bedeutet.
Wahrscheinlich gar nichts, aber wir finden’s heraus. Komm schon, Kleine, hab keine Angst.«
»Ich sollte das Spray holen und sie töten.«
»Das sind doch nur Raupen«, sagte Bonnie.
So standen sie lange. Bonnie hörte den Verkehr rauschen und Flugzeuge vom nahen Flughafen LAX starten. Esmeraldas Kopf lehnte an Bonnies Wange, das Haar war fettig, sie roch nach Schweiß und Küche, aber Bonnie hielt sie so lange, wie Esmeralda Halt brauchte.
Ralph ruft an
Gegen Mittag waren sie fertig. Bonnie war gerade auf dem Weg durch die Stadt zur Riverside-Deponie, als ihr
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