Das Inselcamp
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Zu dreien
Die Gewänder wurden fertig, und Jott gab ihnen Lederreste. Daraus machten sie sich Gürtel und Lappen für die Füße. Einige davon sahen beinahe wie Sandalen aus.
»Und nun?«, fragte Johanna. Simone und Tamara organisierten eine Modenschau. Ein Catwalk wurde abgesteckt, mitten durchs Lager, und jede und jeder musste in seinem neuen Outfit darübergehen. Lena bekam einen Kochlöffel in die Hand. Das war das Mikrofon der Moderatorin.
Die Jungen zierten sich besonders, vor allem Matti und Jakob. »Mitgefangen, mitgehangen«, sagte Simone streng. Und Johanna kommentierte: »In der Bibel heißt das anders.« »Wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei«, sagte Tamara.
»Bergpredigt!«, riefen die zwölf wie aus einem Mund. Und lachten herzlich. Jakob und Matti gingen dann zusammen. Sie gingen zweimal.
»Wenn ihr mutig wäret«, erhob sich Diakon Jotts langweilige Stimme, als sie sich anschließend in ihrem Ruhm sonnten, »dann hättet ihr diese Modenschau nicht hier im Lager gemacht, sondern unten am Strand.«
Die zwölf starrten ihn an. »Vor allen Leuten?«, fragte Johanna entgeistert. »Aber da würde man uns ja sehen!«, meinte gleichzeitig Tom. Und Pitt erklärte die neue Herausforderung schlichtweg für Blödsinn. Diakon Jott trat ein paar Schritte vor, sodass er zwischen den zwölf stand, und lächelte in die Runde. »Oh, sehen«, sagte er sanft, »sehen wird man euch sowieso.«
Judith sah sich unbehaglich nach ihrer Mutter um. »Was meint er denn?« Lena hatte das Neue Testament in der Hand. »Ich soll euch etwas vorlesen«, sagte sie.
Da standen sie nun in ihren neuen Gewändern, mit denen sie sich hatten freikaufen wollen von allem, was Diakon Jott für sinnvoll hielt, und während Lena las, Lukas 9, wurde ihnen klar, dass es längst nicht vorbei war.
»Er rief aber die Zwölf zusammen und gab ihnen Gewalt und Macht über alle bösen Geister und dass sie Krankheiten heilen konnten und sandte sie aus, zu predigen das Reich Gottes und die Kranken zu heilen.«
Der Diakon setzte sich ins Gras und bedeutete den zwölf, das Gleiche zu tun. Tatsächlich wurden ihnen die Knie weich und sie sanken zu Boden.
»Und er sprach zu ihnen: Ihr sollt nichts mit auf den Weg nehmen, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld; es soll auch einer nicht zwei Hemden haben. Und wenn ihr in ein Haus geht, da bleibt, bis ihr weiterzieht. Und wenn sie euch nicht aufnehmen, dann geht fort aus dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen zu einem Zeugnis gegen sie.«
Die Worte hingen lange in der Luft. Die zwölf wagten kaum zu atmen. Sie wollten nicht daran rühren. Dann sagte Judith sehr langsam zu Diakon Jott: »Sie sind aber nicht Jesus.«
Diakon Jott lächelte sie freundlich an. Sonst nichts. »Das heißt«, fuhr Judith fort, »das heißt: Sie können uns nicht senden. Sie können uns keine Macht geben – wie war das? – zu heilen und zu predigen.«
»Oh, ich erwarte keine Wunder«, sagte Diakon Jott mit seiner langweiligen Stimme. »Das wäre wirklich zu viel verlangt.«
»Was dann?«, fragte Andi nervös. »Sie haben gesagt, Sie würden uns laufen lassen!«, rief Matti. Die anderen äußerten sich jetzt ebenfalls. Sie stimmten Matti zu. Auch Diakon Jott. »Ja«, bestätigte er. »Ihr habt recht. Das habe ich gesagt.«
Da waren sie wieder still, und jedem von ihnen ging auf, dass Jotts Versprechen einen Haken gehabt hatte. Von Anfang an. »Ich werde euch laufen lassen«, sagte er. »Zu dreien. Es gibt nur drei Bedingungen: Ihr nehmt nichts mit. Ihr bringt etwas zurück. Und: Ihr tragt eure Gewänder.«
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… der verleugne sich selbst
Etwas war anders als bei den früheren Zumutungen des Diakons. Diesmal gab es keinen offenen Protest. Vielleicht, weil die zwölf allzu schockiert waren. Oder zermürbt von allem, was sie sich schon gefallen lassen hatten.
Vielleicht aber lag es auch an Britt. Ihr konsequentes »nein, niemals, nicht mit mir« fehlte den anderen. Britt schwieg. Und sie blieb sitzen, als alle anderen sich zu zweit oder in kleinen Gruppen aus dem Kreis verdrückten. Sie mussten reden. Ohne Jott. Sie konnten sein Lächeln nicht mehr ertragen.
Die vier vom Berg waren sich rasch einig. »Warum kämpfen?«, sagte Tom. »Der Typ macht es uns leicht.« Sie kamen überein, sich auf alles einzulassen, damit Jott sie gehen ließe. Die Gewänder aber, die sie über ihren Beach-Klamotten tragen würden, würden
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