Das Inselcamp
hinter dem erstbesten Busch landen.
Simone und Johanna hatten ähnliche Ideen. »Sobald er uns nicht mehr sieht«, sagte Simone, »sind wir frei!« Sie träumte davon, sich einfach irgendwo in die Sonne zu legen, mit oder ohne Bikini. Den Tag zu verträumen.
Johanna hatte eher an Typen vom Campingplatz gedacht, an Abhängen, Flirten und Feiern. Aber sie sah leicht ein, dass sich eines aus dem anderen ergeben konnte. »Wir müssen natürlich Geld mitnehmen«, sagte sie gerade, als Tamara zu ihnen stieß.
»Soll das alles gewesen sein?«, fragte die. »Ist das nicht eigentlich schade?« Johanna und Simone fuhren herum. »Was meinst du?«, fragte Johanna misstrauisch. Und Simone behauptete: »Das sieht dir wieder ähnlich.«
Tamara zuckte zurück. »Ich dachte ja nur …«, lenkte sie ein. »Was?«, fragte Simone nun doch. Tamara tastete nach ihrem verlorenen Zopf. »Wir sind den halben Weg gegangen«, sagte sie. »Wenn wir jetzt nicht weitergehen, werden wir nie erfahren, wohin es führen würde.«
Von einer Seite näherten sich Judith und Andi, von der anderen Pitt und Jacques. Sie hatten Tamara gehört. Und Pitt nickte. »Sie hat recht«, sagte er. »Wir machen es.«
Andi und Judith wechselten einen raschen Blick. »Wir machen nicht mehr, was du sagst, Pitt«, erklärte Andi. Es folgte ein Blick-Duell zwischen Brüdern, das allen Angst machte. Nur Judith strahlte. Und das gab Andi Kraft, es durchzustehen bis zum Schluss.
»Aber in diesem Fall«, erklärte Andi endlich, »sagen wir das Gleiche.« Da wandte Pitt sich ab und ging mit großen Schritten zurück zu Jott und Britt.
Die vier vom Berg waren auch schon da. »Wir machen es«, verkündete Tom gerade und seine drei Freunde nickten. Die sechs um Pitt grinsten und stießen sich an. »Wir auch«, sagte Andi. »Bloß gut, dass mich hier keiner kennt«, bemerkte Johanna.
»Wer mir nachfolgen will«, sagte Britt, »der verleugne sich selbst.« »… und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach«, ergänzte Tamara. »Markus 8,34«, sagte Jott. Und dann teilte er die zwölf in Gruppen zu dritt.
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Müssen und Wollen
Der nächste Morgen zog zögernd herauf. Die Sonne setzte sich nur mühsam gegen zähen Frühnebel durch. Im Lager rührte sich nichts. Die zwölf blieben in ihren Schlafsäcken. Vielleicht beteten sie, dass es nicht hell werden möge. Oder dass eine Sintflut käme oder dass sich die Erde unter ihnen auftäte, sodass alle Pläne für den Tag hinfällig würden.
Niemand wollte den Anfang machen. Sie hatten einen tapferen Entschluss gefasst, am Abend zuvor, aber ihn auszuführen war etwas anderes. Hinauszugehen unter die Menschen und aufzufallen und gefragt zu werden – ja, was? Und was dann?
Jott drängte sie nicht, nicht wie sonst am Morgen, wenn er zum Essen rief oder absichtlich Krach machte. Oder Wasser verschüttete, versehentlich, und ausgerechnet über den Köpfen vonPitt und Tom. Vielleicht ahnte auch Jott, dass das Inselcamp auf Messers Schneide stand.
Lena ging zwischen den Schlafenden hin und her und sah in Gesichter mit krampfhaft zusammengekniffenen Augen. »Ich würde ja müssen«, sagte sie vor sich hin. Mehrstimmiges Seufzen gab ihr recht. Dann öffneten sich die ersten Reißverschlüsse. »Tu ich auch«, sagte Judith. »Schon lange«, ergänzte Simone. Die beiden schauten sich an, grinsten – und sausten los.
Später, beim Frühstück – sie trugen alle ihre neuen Gewänder (und darunter Badezeug) – waren sie blass und still und tranken literweise Tee. In ihrer Mitte war die Karte der Insel, die Jott in den Sand gezeichnet hatte.
Die Insel hatte, was alle sehr passend fanden, die Form einer Träne. Oben am Stiel waren Dünen. Da war ihr Lager. Dann kamen, immer am Watt, der Campingplatz und der Ort mit dem Fähranleger. Hinter dem Ort befand sich der größte Teil der Insel, die bauchige Mitte der Träne. Dort schien es nichts weiter zu geben als Hügel, Wiese und Wald.
»Ja, dann wollen wir mal«, sagte Pitt schließlich und sah zweifelnd von Britt zu Jacques. Die beiden waren zusammen mit ihm Gruppe eins.
»Kommt her!«, sagte Diakon Jott, der wie immer am Rand des Kreises stand. Er öffnete die Arme und hob die Hände. Auf einmal sah er sehr würdig aus. »Auch das noch!«, murmelte Pitt. Es sah so aus, als sollten sie gesegnet werden.
»Jesus Christus spricht«, sagte Jott. »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis.« Johannes 8, dachte
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