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Das Inselcamp

Das Inselcamp

Titel: Das Inselcamp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Steinkuehler
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einem weiten Bogen zurück zum Lager. Philip und Jakob meuterten, aber Tom blieb stur. Das Surfen musste warten. Tom wollte wissen, was der Alte im Schilde führte. »Dass der nicht echt ist«, sagte er mehrmals, »das sieht doch ein Blinder.«
    Sie kamen von der Wattseite, und als sie Geräusche aus dem Küchenzelt hörten, schlichen sie sich zum Schlafzelt. Tom lockerte zwei der Zeltpflöcke und sie schlüpften hinein. Dort waren sie sicher. Drüben waren nur zwei: der Alte und Lena. Von Jott war nichts zu hören. Geschirr klapperte. Anscheinend machte Lena den Abwasch.
    »Was für ein Wiedersehen …« Sie hörten den Alten leise lachen. Von Lena kam ein leiser Aufschrei. »Va– …ter im Himmel!«
    Jakob stieß Tom an. »Sie fürchtet sich!« Tom nickte grimmig. »Gut, dass wir da sind!« Philip wollte gleich aufspringen. Aber Tom hielt ihn fest. »Warte noch!« Es kam ihm seltsam vor, dass Lena so schreckhaft sein sollte. Und gar nach Gott im Himmel rief.
    »Wie geht es dir, Lenchen?« Der Alte sprach auf einmal beinahe sanft. Wieder klapperte Geschirr. Ein Schwall Wasser platschte zu Boden. »Bestens«, sagte Lena nervös. »Alles bestens.«
    »Du hast eine Tochter«, sagte der Alte. »Sag ich doch«, bemerkte Lena. »Es geht mir gut.« Allmählich fand sie zu ihrer gewohnten Stimme und Art zurück. »Steh mir nicht im Weg, Martin«, sagte sie. »Komm, du kannst abtrocknen.«
    Danach klapperte es einträchtig und Lena drehte den Spieß um. Jetzt fragte sie den Alten aus. Sie nannte ihn Martin und erfuhr, dass er Urlaub machte – »ein paar Tage raus, nichts Besonderes …« Lena lachte leise. »Du – als Camper? Allein? – Und das soll nichts Besonderes sein?!«
    Er antwortete nicht und dann bohrte sie weiter. »Soll ich glauben, dass du ausgestiegen bist? Untreu geworden? So wie ich damals?«
    Es klang leicht spöttisch. Aber Jakob konnte es spüren: Jedes Wort tat ihr weh.
    »Ach weißt du, Leni«, sagte der Alte, der Martin hieß. »Erinnerst du dich, wie sie dich damals genannt haben?« Sie schienen sich zu bewegen. Aufeinander zu. Dann traten sie ins Freie.
    Tom spähte durch den Ritz zwischen zwei Planen. Sie standen jetzt vor dem Küchenzelt, Lena und der Alte. Und der Alte hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt. Sie sah klein aus in seinem Arm, noch kleiner als sonst. Und irgendwie geborgen.
    »Maria Magdalena«, sagte Martin. Sie lachte wieder dieses leise, spöttische Lachen. »Die große Sünderin«, sagte sie. Martin schüttelte den Kopf. »Sie war treuer als alle anderen.« Dann sagte er, sie sollten ein wenig spazieren gehen, und führte Judiths Mutter weg.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Ihr werdet stille sein
    Die Sonne schien noch, als die vier Gruppen heimkehrten. Sie waren pünktlich, alle zwölf, es war vielleicht, wie Judith gesagt hatte: Jott hatte sie auf geheimnisvolle Weise gebunden.
    Judiths Gruppe kam von der Seeseite, Toms und Britts Gruppen vom Watt her. Andi, Tamara und Johanna kamen als Letzte. Johanna humpelte und stützte sich auf Andi.
    Jott stand mit einer brennenden Fackel vor dem Kreis, in dem sie saßen, und sah ihnen entgegen. Keiner sprach, aber es war jedem Einzelnen anzusehen: Sie hatten die Bedingungen erfüllt.
    Sie waren auf dem Weg gewesen, sie hatten ihre Gewänder getragen und – sie brachten etwas mit. Sie waren voll von Erlebnissen und brannten darauf zu erzählen.
    »Seid gegrüßt«, sagte er feierlich. »Lena will, dass ich euch danke.« Er sah sich um. Er hob die Schultern, als er entdeckte, dass Judiths Mutter nicht da war. »Es sei«, fuhr er fort. »Ja, ich danke euch. Ich danke euch wirklich. Ihr habt es tatsächlich versucht.«
    »Versucht …?« Tom und Pitt fuhren gemeinsam auf. In solchen Dingen waren sie sich einig. Jott hob die Hand, und weil er die Fackel trug, war es eindrucksvoll genug, um weitere Kommentare zu unterdrücken.
    »Ihr seid auf dem Weg«, sprach er weiter. »Nicht am Ziel. Erst am siebten Tag werden wir sehen.« Er nahm Einzelne in den Blick. Tamara, Judith, Britt. »Einige von euch können die Palme erlangen«, sagte er. Simone, Jacques, Johanna. »Nicht alle. Nein, nicht alle.«
    Er starrte ins Feuer und dachte kurz nach. »Selbst unter den zwölfen, die bei Jesus waren, gab es Verräter.« Er sagte das leise, nur für sich selbst.
    Dann gab er sich einen Ruck. »Kurz!«, sagte er und war so laut und präsent wie selten. »Es ist zu früh. Warten wir auf das Ende. Bis dahin wahren wir Schweigen!«
    »Schweigen!?«

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