Das Inselcamp
kann ich hüten.«
Den Blick, den Johanna Tamara zuwarf, konnte er sich vorstellen. Da brauchte er sich nicht umzudrehen. »Meint er das ernst?«, fragte Johanna zaghaft. Tamara lachte. »Er nimmt die Bibel allzu wörtlich«, meinte sie.
Andi ärgerte sich. »Ihr müsst ja nicht mitkommen.« Er zertrat eine Sandeimerburg. Mit voller Absicht. »Am besten, ihr bleibt gleich hier.« Der Sand spritzte nach allen Seiten. »Schon deinen Fuß, Johanna.«
Da sagte Johanna etwas, das ihn herumfahren ließ. »Aber ich will da hinauf«, sagte sie. »Da oben ist gut sein.« » Gut sein? «, fragte er entgeistert. »Markus 9«, sagte Tamara gelassen. »Die Verklärung.«
Sie erzählte, dass Jesus einmal auf einem Berg gewesen sei, um zu beten. Da wurde er in ein Licht vom Himmel getaucht, und Mose erschien ihm und der Prophet Elia. Jesu Jünger Petrus aber, der das alles mitbekam, schlug vor, dass sie für immer dort bleiben sollten. Ich baue uns Hütten, sagte er. Hier ist gut sein . Doch da war auf einmal alles vorbei …
»Ja«, sagte Johanna versonnen. »So war es.« Und dann erzählte auch sie eine Geschichte. Von ihrer Verletzung und von dem jungen Sanitäter, der sich ihres Fußes angenommen hatte.
Vom Hügel herab sei er gekommen, ein Engel mit braunen Locken und zarten Händen. Sie hatten geredet und geträumt. Und dann sei er wieder verschwunden. Gabriel. Mit dem Mädchen Maria an der Hand. Hügelaufwärts.
»Und heute will ich ihm folgen«, sagte Johanna. »Ich habe auch nichts anderes vor«, bemerkte Tamara. Da musste Andi einsehen, dass er keine von ihnen loswerden würde.
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Den Staub von den Füßen
Es hätte Jott sein können, der Mann, der quer über die Hügelkuppe lief und dann begann, über die Steilküste zum Meer hinunterzuklettern. Oben stand ein Mädchen und sah ihm nach. »Gott mit dir, Hans!«, rief es in den Wind.
Das Mädchen war vielleicht ein oder zwei Jahre älter als Tamara und Johanna. Es trug eine dicke Brille und kurze Afro-Locken. Auf dem T-Shirt stand sein Name. Rebekka.
Als Andi und die zwei Mädchen sich näherten, drehte Rebekka sich gerade vom Steilhang weg. Quer über den Weg lief sie und verschwand zwischen halbhohen Kiefern.
»He«, sagte Johanna. »Vielleicht kennt sie Gabriel.« Und sie wich ebenfalls vom Weg ab und folgte dem Mädchen. Die drei vermuteten ein Zelt auf der Kuppe des Hügels, vielleicht auch zwei oder drei. Dazu ein paar Fahrräder und Rucksäcke und einen Topf mit Wasser auf einem Campingkocher. Stattdessen fanden sie das Vogelnest .
Zwölf Lehmhütten im Kreis, still, wie ausgestorben. Mittendrin einen Brunnen mit einer Glocke und am Boden zwei Kinder, die mit Stoffpuppen spielten. »Elli«, sagte Tamara verwundert, als sie die kleine Eisesserin wiedererkannte. »Und Maria«, ergänzte Johanna.
Langsam gingen sie näher heran. Das Mädchen, das sie verfolgt hatten, blieb bei den beiden Kindern stehen. »Sieh mal, Rebekka«, sagte Elli und hielt ihr eine Puppe entgegen. »Sie hat sich schmutzig gemacht.«
Dann raschelte es ein Stück weiter im Gebüsch, und Judith, Simone und Matti traten hinzu. »So sieht man sich wieder«, sagte Andi. Er sah alle anderen an, nur nicht Judith. »Unverhofft kommt oft«, sagte Judith und sah alle anderen an, nur nicht Andi.
»So ein Quatsch«, sagte Tamara. »Diese Insel ist ein Dorf.« Matti sagte nichts, und Johanna sah sich neugierig um. »Wo sind wir denn hier?«
Elli und Maria ließen ihre Puppen fallen und sprangen auf. Zwischen ihnen stand Rebekka und kniff die Augen zusammen. »Rebekka«, sagte Elli, »die hättest du nicht mitbringen sollen. Die sollen doch unten, am Strand …«
Die kleine Maria aber hängte sich an Johanna. »Ist es wieder gut?«, fragte sie. »Mit deinem Fuß?« Johanna strahlte sie an. »Oh ja«, sagte sie. »Gabriel hat Zauberhände. – Ist er hier?«
»Gabriel?« Elli fuhr auf und dazwischen. »Was willst du von meinem Bruder?« »Wir hätten es tun sollen«, sagte Tamara leise. »Was?«, fragte Johanna abgelenkt. »Das Kind in die Mitte stellen«, meinte Tamara.
Endlich machte auch Rebekka den Mund auf. Sie hatte eine Zahnspange und sprach entsprechend undeutlich. »Ich habe sie bestimmt nicht mitgebracht«, sagte sie zu Elli. Und zu Johanna: »Geht weiter. Das hier ist nichts für euch.«
»Wie war das?«, flüsterte Andi Judith zu: » Und wenn sie euch nicht aufnehmen, dann geht fort …?« – »Und schüttelt den Staub von euren Füßen« ,
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