Das Inselcamp
als er aus seiner Gemeinde verschwunden war, um neue Kraft zu finden. Mut, an den er selbst nicht mehr glaubte. An diesen zwölf, wusste Martin, hatte Jott sich die Zähne ausgebissen. Das Inselcamp war sein letzter Versuch. Ohne rechtes Zutrauen.
»Das rächt sich jetzt«, murmelte Martin. Er zerknüllte die Botschaft in seinen Händen. »Ja!«, rief er durch die Wand seines Zeltes. »Ja, Lenchen, hier bin ich!«
Sie war nicht allein gekommen. An ihrer Seite war ein Mann, den Martin spontan nicht mochte. Jonas war nicht Erik. Das war sein Fehler.
Martin ließ die beiden draußen stehen und trat zwischen sie. »Ich habe eine Nachricht für Hans Jakobsen«, sagte er. »Dann gib sie mir«, sagte Lena. Ihre Stimme klang untypisch schwach.
Martin schüttelte den Kopf. »Sie ist für Hans«, wiederholte er. »Für dich würde sie vermutlich anders lauten.« Jonas mischte sich ein. »Hören Sie mal«, sagte er. »Ich weiß, wer Sie sind. Aber was wissen Sie von Jott? Und von wem ist diese geheimnisvolle Nachricht?«
»Von den zwölfen, die Rache nehmen wollen«, sagte Martin. »Und: Hans Jakobsen war mein Schüler. Ein wenig zu einfältig für die Theologie, ein wenig zu schüchtern für die Gemeinde. Ich dachte, bei LMB wäre er gut aufgehoben. Aber es hat ihm nicht gereicht, sich nur um sein eigenes Seelenheil zu kümmern. So ging er zurück in seine Gemeinde und nahm sich die zwölf vor. Und brachte sie hierher.«
Lena seufzte. »Martin, du machst mich wahnsinnig! Lass mal den Jott und sag mir, wo meine Tochter ist!« »Aber das hängt alles zusammen«, sagte Martin.
Sie waren ein Stück weit gegangen, hinunter zum Strand, ohne dass einer von ihnen mit Absicht einen Weg eingeschlagen hatte. Schwarz und schlüpfrig dehnte sich vor ihnen das Watt. Nur am Horizont war das wiederkehrende Wasser bereits zu erahnen.
»Ich schätze, die Kinder fühlen sich betrogen«, sagte Martin. »Sie haben herausgefunden, dass Jott gewisse Vorkehrungen getroffen hatte. Damit sie nicht ins Leere liefen. Und auch nicht auf und davon.«
Lena unterbrach nicht mehr. Sie fand sich damit ab, dass sie alles anhören musste, um das Eine zu erfahren. »Muss ein schlimmes Gefühl sein«, sagte Martin. »Da haben sie sich wirklich bemüht – und Jott hat einfach nicht damit gerechnet!«
Unvermittelt packte Jonas Martin am Kragen. »Raus mit der Sprache: Wo sind sie?« Martin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Überleg dir, Junge, ob du dich an einem alten Mann vergreifst«, sagte er.
Lena hatte inzwischen einen Faden gefunden. »Martin«, sagte sie, »was wollen sie Jott glauben machen, dass sie tun?«
Jonas ließ Martin los und der verneigte sich leicht vor Lena. »Kluges Mädchen«, sagte er. »Wie auch dein Kind. Judith brachte die Nachricht für Hans nicht dahin, wohin sie sie bringen sollte, sondern zu mir. Weil sie wohl hoffte, dass ich damit umgehen kann.«
»Und die Nachricht?«, fragte Lena müde. Martin zitierte sie auswendig, die Augen fest auf Lenas bleiches Gesicht gerichtet: »Jott, wir machen eine Nachtwanderung. Da, wo es immer nur geradeaus geht. Wir halten uns an die Regeln: Wir tragen unsere Kittel, wir haben nichts mit – bloß: ob wir was zurückbringen …? Jesaja 40,6-8.«
»Jesaja – was?«, fragte Jonas. »Alles Fleisch ist Gras«, antwortete Lena zögernd, »und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde …«Dann übernahm Martin: »Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt …«
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Die Blume verwelkt
»Mein Gott!«, rief Jonas. »Die sind ins Watt …« Er warf einen unruhigen Blick auf das silbrige Band am Horizont. Das war die Flut. Und sie kam näher. Lena machte ein Geräusch, das halb ein Schrei und halb ein Seufzer war. »Das ist es, was wir glauben sollen«, sagte Martin bedächtig. »Vor allem Jott soll es glauben. Aber ist es so?«
Jonas warf sinnlose Blicke auf seine Armbanduhr. »Ich möchte es nicht drauf ankommen lassen«, sagte er. »Nicht, wenn die Flut kommt. Die Kinder haben ja gar keine Ahnung …«
Er sah sich wild um. »Zum Hafen«, stammelte er. »Zum Hafenmeister. DLRG. DGzRS. Polizei, Hafenpolizei, Seefahrtsamt …« Er lief los, so rasch es seine langen Beine erlaubten.
Lena lief ihm nicht nach. Sie sah Martin ins Gesicht. »Was glaubst du?«, fragte sie. Martin nickte und zwinkerte ihr aufmunternd zu. »Komm mit«, sagte er. »Dein
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