Das Intercom-Komplott
durfte ihm nicht das Gefühl geben, daß er die Fäden des Gesprächs in der Hand hatte. Glücklicherweise hatte ich die Schachtel noch in der Hand. Lächelnd suchte ich nach meinem Feuerzeug.
»Glauben Sie, daß Sie eine solche Hilfe nötig haben?« fragte ich.
»Nein«, antwortete er ohne zu zögern, »was ich jetzt brauche, ist ein kräftiger Drink. Aber ich fürchte fast, daß Sie mir mit dieser Art der oralen Befriedigung nicht dienen können.«
Ich gab ihm Feuer und zündete auch meine Zigarette an. »Kommen wir noch einmal auf diesen Herrn Schneider zu sprechen. Sie sagten, daß Sie ihn kennen, daß er nach Lavendelwasser riecht.«
Er machte eine ärgerliche Geste. »Vergessen wir das Lavendelwasser für den Augenblick. Wenn ich Ihnen die ganze Geschichte erzählen soll, muß ich es von Anfang an tun.«
»Sehr gut.«
»Ich gebe ein Nachrichtenblatt heraus. Intercom . Haben Sie schon je davon gehört, Herr Doktor?«
»Ich habe einmal ein Exemplar gesehen.« Ich sagte ihm nicht, daß es mir ein Kollege vor einiger Zeit als typisches Beispiel für das paranoide Denken der Amerikaner gezeigt hatte, aber dem Patienten war nicht entgangen, daß ich nur sehr zögernd geantwortet hatte.
Er grinste. »Ich wollte Sie nicht fragen, was Sie davon halten, Herr Doktor. Das kann ich mir schon denken. Jedenfalls ist es vor einem oder zwei Monaten in andere Hände übergegangen.«
Es dauerte über eine Stunde, bis er seine Geschichte beendet hatte. Am Anfang mußte ich ihn ein paarmal unterbrechen, nicht nur, weil ich nicht gleich begriff, was er sagen wollte, sondern vor allem, weil ich sehen wollte, wie es sich auswirkte, wenn der Erzählfaden abriß. Später dann stellte ich keine Zwischenfragen mehr. Wenn ein Patient bereit ist, offen und frei zu sprechen, soll man ihn gewähren lassen. Wie er mir seine Geschichte erzählte, war in gewisser Weise verrückt, aber nach einer Weile begann ich zu vermuten, daß dies bei ihm ein ganz bewußt gepflegter Tick war, daß man es durch seinen Beruf erklären konnte. Zu diesem Zeitpunkt versuchte ich nicht, mir ein Urteil darüber zu bilden, ob er mir die Wahrheit sagte. Wenn er alles erfunden hatte, so war es ihm jedenfalls gelungen, es echt klingen zu lassen. Andererseits hatte dieser Mann selbst zugegeben, die Phantasie zu seinem Geschäft zu machen, und er war fast stolz darauf, damit so erfolgreich gewesen zu sein – eine schizoide Persönlichkeit. Ich benötigte weitere Hinweise, ehe ich mir ein endgültiges Urteil bilden konnte.
Als er geendet hatte, stellte ich ihm zwei Fragen:
»Haben Sie mit irgend jemandem schon einmal darüber gesprochen? Nicht hier im Krankenhaus, sondern vor dem Unfall?«
»Valerie weiß ein wenig darüber.«
»Valerie?«
»Valerie, meine Tochter.«
Er hatte sich wieder zurückgelegt und sah ziemlich müde aus. Ich entschloß mich, alle weiteren Fragen auf ein anderes Mal zu verschieben.
»Ich schaue später noch einmal herein«, sagte ich ihm.
»Tun Sie das«, sagte er und schloß seine Augen. Aber als ich schon an der Türe war, hielt er mich noch einen Augenblick zurück.
»Die Aktentasche, Herr Doktor. Ich hatte sie mit im Wagen. Ich wäre sehr erleichtert, wenn ich wüßte, daß sie in Sicherheit ist. Und ich möchte, daß Sie einen Blick in den Ordner werfen, der in ihr ist. Ich glaube, die Polizei hat an sich genommen, was sich noch im Wagen befand.«
»Ich werde sehen, was sich tun läßt«, antwortete ich.
Der Stationsarzt saß in der Kantine und trank eine Tasse Kaffee. Er gehört zu jenen Menschen, die ihr Mißtrauen der Psychiatrie gegenüber – aber auch ihre Unwissenheit auf diesem Gebiet – hinter Spott verbergen. Er begrüßte mich mit einem erwartungsvollen Grinsen.
»Wie sieht das Urteil des Experten aus?« wollte er wissen. »Verrückt oder nur ein wenig übergeschnappt?«
»Wahrscheinlich weder das eine noch das andere.«
Er sah mich mit einer Miene an, die darauf schließen ließ, daß er mich für übergeschnappt hielt.
»Ich würde mich gern einmal mit seiner Tochter unterhalten«, fuhr ich fort. »Wissen Sie, ob sie schon wieder hier ist?«
»Sie war da. Aber selbst wenn sie noch nicht wieder gegangen ist, werden Sie nur wenig aus ihr herausbekommen. Sie hat eine ziemlich üble Laune. Sagt, die Polizei hätte Papa einen bösen Streich gespielt, und wir helfen dabei.« Sein Lächeln wurde böse. »Ich nehme fast an, sie hält nicht viel von der Psychiatrie. Seien Sie vorsichtig, sonst hackt sie Ihnen
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