Das Intercom-Komplott
anlastete. Dann hatte ich es mit diesem schwachköpfigen Polizisten Vauban zu tun. Vom Kommissariat ging ich in Maître Perriots Büro. Er hatte als Notar meinem Vater bei der Regelung des Mietvertrags und bei der Abfassung seines Testaments geholfen.
In meiner Verwirrung hatte ich nicht daran gedacht, daß heute Samstag war. Perriots Büro war natürlich geschlossen. Ich machte seine Privatnummer ausfindig und rief ihn an. Er zeigte sich so lange hilfsbereit, bis ich ihm das mit der Trunkenheit sagte. Da versuchte er einen Rückzieher. Ich gab nicht auf, aber alles, was ich bei ihm erreichen konnte, war das Versprechen, daß er am Montag meinen Vater in der Klinik besuchen wollte. Vorher könne man ohnehin nichts unternehmen, behauptete er. Vielleicht hat er ja recht damit, aber an diesem Tag glaubte ich es ihm nicht.
In einem Café aß ich ein Sandwich; danach ging ich wieder in die Klinik. Meinen Vater durfte ich noch nicht sehen; statt dessen sagte mir ein Riesentrottel von Stationsarzt alles mögliche über eine psychiatrische Untersuchung, und außerdem richtete er mir aus, ich solle meinem Vater eine Ersatzbrille mitbringen. Ich ging also nach Hause, um sie zu holen. Als ich zum drittenmal in die Klinik kam, bat man mich zu warten.
Nicht so enttäuscht war ich über Michel, über Dr. Loriol. Sondern wütend. Ich gebe zu, es war unvernünftig von mir. Er hatte vollkommen recht, vorsichtig zu sein. Nein, es war wirklich unfair. An diesem Nachmittag war ich ganz einfach nicht mehr ganz zurechnungsfähig.
Wäre ich es gewesen, hätte ich meinem Vater nicht geholfen, das zu tun, was er dann tatsächlich tat.
Als ich in sein Zimmer trat, machte er ein recht niedergeschmettertes und verzeihungheischendes Gesicht, aber das hielt nicht lange vor. Bestimmt nicht länger als zwei Minuten. Denn dann erzählte er mir, was sich in der vergangenen Nacht ereignet hatte, nachdem er in sein Büro gegangen war.
Natürlich war ich sehr erschrocken, und er war ungeheuer böse. Ich sagte ihm, wie zögernd sich Maître Perriot bereitgefunden hatte, in die Sache verwickelt zu werden, und ich erzählte ihm von meinem lächerlichen Gespräch mit Vauban.
Er konnte sich an den Commissaire noch gut erinnern.
»Dieser triefäugige Hanswurst«, meinte er. »Das hätte ich dir vorhersagen können.« Dann sagte er noch ein paar andere ungehörige Worte über ihn, die ich hier nicht wiederholen möchte.
Ich glaube, wir beide waren ziemlich erschöpft, vielleicht auch deprimiert und verzweifelt. An diesem Tag sah alles so trübe aus. Auf der einen Seite diese Butzemänner, wie mein Vater sie immer nannte, die sich wie Gangster benahmen, und auf der anderen Seite die Polizei, die meinen Vater für verrückt hielt und ihm wegen Trunkenheit am Steuer nachstellte, als er ihnen erzählte, was vorging. Alles war so hoffnungslos verworren, und wir hatten niemanden, der uns hätte helfen können. An Michel dachte ich nicht; zu diesem Zeitpunkt zählte ich ihn noch zu unseren Gegnern. Jetzt ist es natürlich leicht zu sagen, daß alles wieder ins Lot gekommen wäre, wenn wir nur klug und geduldig gewartet hätten, bis Gras über die Sache gewachsen und die Wahrheit ans Licht gekommen wäre. Es ist ebenso leicht und genauso sinnvoll, als wollte man jemandem, der gerade von einem Dach gefallen ist, sagen, er hätte nur geistesgegenwärtig genug sein müssen, um im Fallen seine Muskeln zu entspannen, um sich beim Aufprall nicht so viele Knochen zu brechen.
Ich versuche nicht, mich zu entschuldigen. Ich will nur erklären, wie alles kam, daß wir beide nach dem Strohhalm griffen, der zufällig vorbeischwamm.
Mein Vater hatte überlegt, ob man nicht besser Dr. Bruchner über das Vorgefallene unterrichten sollte, oder ob er vielleicht nicht anders reagieren würde als Maître Perriot.
»Vielleicht kennt er jemanden im Nationalrat«, sagte ich, »vielleicht sogar jemanden im Bundesrat.«
Mein Vater schüttelte den Kopf. »Das würde auch nichts nützen. Die Polizei hier würde sich um die Leute in Bern nicht kümmern. Was wir tun müssen: Über den Kopf von Vauban uns an jemanden wenden, der uns zuhören will.« Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: »Oder an jemanden, den wir dazu bringen können, daß er uns zuhört.«
»Wie willst du denn jemanden dazu bringen, uns zuzuhören?« fragte ich zweifelnd.
»Indem ich ihnen die Hölle heiß mache«, erwiderte er und schnalzte plötzlich mit den Fingern. »Jawohl, das ist es. Der ganzen
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